Vorbild Frankreich – doch alle anderen bekommen auch noch ihre Chance
Wie schon des Öfteren vorhergesagt, entwickelt sich IRIS2 in Fortsetzung bewährter EU-Tradition zu jenem bei der europäischen Politik als Spardose so beliebten nach unten offenen Behältnis für das Einleiten steter Ströme von Steuergeldern von oben. Dabei gibt es nur eine einzige einfache Spielregel: Solange mehr von oben reinkommt, als nach unten rausgeht, gewinnt die EU. Manchmal braucht sie dabei aber auch zusätzliche Mittel aus den Safes der Mitglieder.
Diesmal springt Frankreich als entscheidender „Anker“ zur Abdeckung des dringendsten Kapitalbedarfs von Eutelsat in die Bresche. Das ist aber nicht das Ende, sondern nur der Anfang, denn Eutelsat benötigt diese Kapitalerhöhung erstmal nur als Bonitäts“beweis“ für´s weitere Auftürmen seines imposanten Schuldenberges zur Deckung des Kapitalbedarfs von 4 Milliarden für Replacements im OneWeb, 2 Milliarden für den Eigenanteil IRIS2, 2,7 Milliarden zur Tilgung alter Schulden. 1,35 Milliarden Kapitalerhöhung jetzt: das ist lediglich die Portion Valium für den Augenblick, um erstmal weiter so zu tun, als handele es ich bei IRIS2 um ein Projekt der Marke PPP mit tatsächlich wirtschaftlicher Mitverantwortung der vom französischen Kommissar der Konzerne ausgewählten Großunternehmen.
716 Mio. EUR davon stammen vom französischen Staat über die Agence des Participations de l’Etat (APE), von Bharti Space Limited, CMA CGM und Le Fonds Stratégique de Participations (FSP), sowie aus einer Bezugsrechtsemission in Höhe von 634 Mio. EUR, die von den genannten Investoren für ihre Rechte gezeichnet wird. Frankreich ist also schon mal auf gutem Weg, am Ende 29,99 Prozent nicht nur des Kapitals und der Stimmrechte zu halten, sondern im Falle eines Falles auch eventuelle Nachschusspflichten zu bedienen.
Der Schritt folgte auf die Nachricht, dass das französische Militär einen 10-Jahres-Vertrag über OneWeb-Kapazitäten im Wert von bis zu 1 Milliarde Euro abgeschlossen hat.
Sollte nun der Eindruck entstanden sein, dass Frankreich IRIS2 fast im Alleingang rettet, so lässt sich dabei entstehende Aufregung schnell wieder beruhigen: für Frankreich allein, selbst schon eher pleite als alles andere und in den Augen von Investoren „das neue Griechenland“, ist diese Aufgabe zu groß; so scheint gesichert, dass alle Staaten, die sich von der EU-Führung mit abenteuerlichen Narrativen zur Finanzierung des Projektes bringen lassen – u.a. auch über den Umweg ESA im November in Bremen – ihre Chance auf heldenhaften (Steuergeld)-Einsatz auch noch bekommen. Nur wird eben nach den Regeln der Standard-Choreographie solcher Großprojekte die Wahrheit nicht auf einmal, sondern nach und nach in verdaulichen Portionen gestreckt dargeboten. Denn nur meisterhaft eingesetzte Salamitaktik, das ist nun einmal felsenfest empirische Erkenntnis aus der Raumfahrt-Politik mit allen Großprojekten der letzten 60 Jahre, führt immer zu jenem magischen „Point of No Return“, an dem die Angst vor der eigenen Verantwortung für die Fehler der Vergangenheit das Tor zum Projekt-Nirwana mit dem Sesam-Öffne-Dich Spruch der hohen Politik aufstößt: „Whatever it takes“ – im Klartext so viel wie: „Ab jetzt ist es auch egal“.
Dabei bedarf es keiner ausgeprägten Hellsichtigkeit, um die finanziellen Kröten schon jetzt auszumachen, die am Rand des Weges von IRIS2 in seine ungewisse Zukunft darauf warten, willig geschluckt zu werden. Die derzeit größten unter ihnen bestätigen dabei wieder einmal das alte Phänomen: je dichter etwas vor Augen steht, desto höher die Wahrscheinlichkeit, es nicht zu erkennen:
- In der augenblicklichen Debatte bleibt sorgfältig ausgeblendet, dass in den zur Zeit bekannten Kosten des Projektes nur dessen Initialisierung, nicht aber der Betrieb enthalten ist
- Der erste Vertrag zu IRIS2 sieht eine Laufzeit von 12 Jahren bis 2036 vor; nur einmal (eher scherzhaft) angenommen, der Plan würde einschließlich Deployment ab 2029 eingehalten, dann fallen noch vor Ablauf der Vertragsfrist die ersten Satelliten schon wieder vom Himmel und müssen ersetzt werden
- Da es nach all den Mühen der Projektinstallation unwahrscheinlich ist, dass nach Ablauf der ersten 12 Jahre die Kommunikationswege der EU vom All wieder auf suborbitalen Brieftaubenverkehr umgestellt werden, braucht die ganze Konstellation spätestens dann ein Update, eine Vielzahl von technischen Verbesserungen und einen neuen 12-Jahres-Vertrag mit den Unternehmen, die dann noch übrig sind – all das zu Kosten mindestens ähnlich einer Neuauflage des ganzen Projektes
Dies alles setzt dabei wie selbstverständlich voraus, dass die EU ihren großen Vorteil, die Fähigkeit zu infiniter monetärer Kompensation jeglicher Inkompetenz voll ausspielt – siehe eingangs beschriebenes Modell Spardose – und darüber hinaus mit einem entschlossenen „whatever it takes“-Angang alles wunschgemäß auch wirklich machbar ist.
Ist es aber diesmal nicht.
Experten warnen schon lange vor der Illusion, dass IRIS2 überhaupt so wie geplant funktionieren wird. Und das nicht nur, weil die Konstellation ohne weiteres im Rahmen eines spacigen Tontaubenschießens durch wenige Bösewichte vom Himmel geholt werden könnte. Genauso wie Galileo übrigens, das ebenso wenig und damit anders als die amerikanischen GPS-Satelliten gegen den Krieg der Sterne gehärtet ist. So manche Kritik – wie etwa an den so vollmundigen wie haltlosen Versprechungen zeitnah realisierbarer Quantenverschlüsselung der Kommunikation – ist mittlerweile längst bekannt. Umso interessanter ist ein Blick auf das noch immer weite Feld bisher medial unzureichend beleuchteter Schwachpunkte von IRIS2, wie sie nur von Insidern aufgedeckt werden können. Einer von ihnen ist Christian Freiherr von der Ropp, freier Berater für Satellitenkommunikation mit breitbandiger Branchenerfahrung, unter anderem über fünf Jahre als Senior Consultant Ground Systems und Operations von OneWeb. Gegenüber KTR führte er die folgenden acht Kardinalpunkte seiner Kritik an:
- User Terminals
Mit Ausnahme von wenigen Geräten zu Test- und Überwachungszwecken gibt es im IRIS²-Projekt trotz seines üppigen Budgets keinerlei Vorkehrungen für die Entwicklung und Massenproduktion von wettbewerbsfähigen User Terminals. Gleichwohl OneWeb mit seinen extrem teuren, stromhungrigen und vergleichsweise leistungsschwachen User Terminals ein laut warnendes Beispiel liefert, hat sich die EU-Kommission für denselben Ansatz entschieden: einigermaßen willkürlich die Kommunikationsnutzlast der Satelliten zu definieren und blind darauf zu vertrauen, dass die Industrie die passenden User Terminals rechtzeitig, in den notwendigen Mengen und zu wettbewerbsfähigen Preisen liefert.
Die amerikanischen Akteure haben dagegen in einem ganzheitlichen Ansatz die User Terminals als Kernkomponente des Gesamtsystems erstens selbst, zweitens parallel zu den Satelliten entwickelt und drittens in diesem Zuge ihre Satelliten samt der Konstellationsgeometrie auf die User Terminals optimiert.
So hat SpaceX u.a. aufgrund von Erkenntnissen aus der Antennenentwicklung bereits im Herbst 2018 die Konstellation von ursprünglich 1100-1300km Höhe auf 550km abgesenkt.
Auch Amazons Konstellationsgeometrie wurde aus den erwarteten Antennencharakteristiken abgeleitet.
Die Kommission dagegen ignoriert all diese Erkenntnisse und begibt sich sehenden Auges in dieselbe Misslage wie OneWeb.
Eine weitere Schwierigkeit ergibt sich natürlich auch daraus, dass die Entwicklung der Kommunikationsnutzlast der Satelliten und jene der User Terminals erstens sequenziell und zweitens durch unterschiedliche Parteien erfolgt, was eine fortlaufende, reziproke Optimierung unmöglich macht. - Frequenzbänder
Eine der scheinbaren Innovationen von IRIS² soll die Kombination von Satelliten auf unterschiedlichen Orbitalebenen sein, nämlich im LEO und MEO, was jedenfalls impliziert, dass sich die Satelliten aus Sicht des Benutzers ständig bewegen und vom User Terminal nachverfolgt werden müssen. Mit einer Flachantenne zwei oder mehr parallele, auf unterschiedliche Satelliten gerichtete Strahlenkeulen (Multi Beam) zu bilden, ist alles andere als trivial und unter den oben geschilderten Umständen besonders schwer zu implementieren.
Als seien den Entwicklern damit nicht schon genug Steine in den Weg gelegt worden, ist für IRIS² aber auch noch die Kombination unterschiedlicher Frequenzbänder für die Verbindungen zum Benutzer (User Links) vorgesehen. So sollen die User Links zu den LEO-Satelliten im Ku-Band, jene zu den MEO-Satelliten im Ka-Band hergestellt werden.
Unter all diesen Umständen eine Flachantenne mit Multi-Beam- und Dual-Band-Fähigkeit zu entwickeln wird extrem schwierig, noch erhebliche Zusatzkosten verursachen und letztlich zu einem sehr hohen Preis für das User Terminal führen. Möglich bleibt, dass man den Wunsch nach einem derartigen User Terminal vernünftigerweise auch wieder aufgibt und gewillten Benutzern einfach separate Antennen für LEO und MEO liefert – dann stellt sich jedoch die Frage, weshalb man ein Multi-Orbit-System entwickelt und nicht einfach die LEO- oder- MEO-Komponente durch vorhandene private Systeme – beides existiert in Europa – realisiert. - Gateways/Systemkapazität
Auf dem schon während der Organisation chaotischen IRIS² Industry Day in Brüssel am 12. Februar 2025 war zu erfahren, dass aktuell nur fünf Gateways für IRIS² geplant sind. Eines in den baltischen Staaten – ein reiner Wahnsinn angesichts der räumlichen Nähe zur Ostsee einerseits und Russlands anderseits sowie der russischen see- und landgestützten EloKa-Fähigkeiten -, eines in Zentraleuropa und drei über Südeuropa verteilt. Dies bedeutet, dass IRIS² außerhalb Europas nur unter massiv erhöhter Latenz Dienste erbringen kann, da aller Datenverkehr über OISLs (optical inter-satellite links) zu den Gateways nach Europa weitergeleitet werden muss. Abgesehen davon, dass beim in-orbit Routing per OISLs über so weite Strecken problematische Schwankungen der Latenzen auftreten, was viele Anwendungen beeinträchtigt, ruiniert man damit einen der Hauptvorteile des LEO, nämlich die niedrige Latenz. Wenn nun aller Datenverkehr über Europa geleitet wird, erhöht das in vielen Anwendungsfällen die Latenz gleich doppelt – einmal weil Datenverkehre von anderen Kontinenten durch das All zu den Gateways nach Europa geleitet werden und dann – da die Gegenstelle einschließlich Cloudinfrastrutkur heutzutage je meist im originierenden Erdteil („closer to the edge“) liegt – wieder per Unterseekabel zurück.
IRIS² wird damit für Nutzer außerhalb Europas völlig unattraktiv bis unbenutzbar und die Perspektive, Eutelsat könne OneWeb durch IRIS² ablösen – zumindest außerhalb Europas – zerstört. Dies nicht nur, weil ein LEO-System mit so hoher Latenz keine Nachfrage erfahren wird, sondern weil IRIS² aus Gründen der Datensouveränität und dem mangelnden physischen Zugriff zur TK-Überwachung in vielen Ländern schlichtweg der Marktzugang verwehrt bleiben wird.
Außerhalb Kontinentaleuropas sind bislang übrigens nur TT&C-Stationen geplant, höchstwahrscheinlich in den französischen Überseegebieten Französisch-Guyana und Réunion.
Offenbar übersieht man in Brüssel eine weitere große Herausforderungen von LEO-Satellitenkonstellationen – nämlich, dass diese aufgrund der Gesetze der Orbitalmechanik die Erde ständig umrunden und damit einen Großteil der Zeit außerhalb Europas verbringen. Für einen wirtschaftlichen Betrieb ist jedoch dafür zu sorgen, dass die Satelliten auch über anderen Erdteilen Umsatz generieren, und dies wird ohne Gateways in Übersee praktisch unmöglich.
Ebenso fragwürdig ist, dass man Hispasat mit der Planung des Bodensegments betraut hat – ausgerechnet jenen der drei privaten Konsorten, der keinerlei Erfahrung mit Gateways für nicht-geostationäre Satelliten besitzt. Offenbar ein frühes Symptom der strukturellen Ineffizienzen und Koordinierungsschwierigkeiten, die sich ergeben, wenn die halbe europäische Raumfahrtbranche einschließlich direkter Wettbewerber zur staatlich verordneten Zusammenarbeit gedrängt wird. - Anzahl der Satelliten
Keine Erwähnung findet in der öffentlichen Diskussion auch der Umstand, welche Folgen die geringe Anzahl an Satelliten (290 Stück) und die daraus resultierende geringe Dichte an Satelliten hat, wenn man in diesen hohen Frequenzbändern operiert. Während bei OneWeb und erst recht bei Starlink durch die mehr oder weniger große Anzahl an Satelliten gewährleistet ist, dass stets zumindest ein Satellit über einem Elevationswinkel (vertikaler Winkel über dem Horizont) von 45° steht, wird dieser Mindestelevationswinkel bei IRIS² aufgrund der geringen Satellitendichte nicht zu halten sein. Wahrscheinlich wird man den Elevationswinkel auf 25-30° herabsetzen müssen. Dies führt zu zwei großen Problemen: erstens Flachantennen verlieren bei flachen Abstrahlwinkeln an Leistungsfähigkeit (was die oben geschilderte Problem der User Terminals abermals verschärft); zweitens ist in vielen Anwendungsszenarien keine freie Himmelssicht ringsum bis 25-30° Elevation gegeben. Ortsfeste Nutzer sind oft von Bäumen, Masten, Gebäuden oder Gebirgen umgeben, die über diese Schwelle hinausragen und mobile Nutzer wie Flugzeuge oder Schiffe leiden ihrerseits unter Abschattungen (Flugzeuge insbesondere beim Kurvenflug, Schiffe durch den Aufbau).
Mit abnehmender Dichte an Satelliten geht auch der militärische Nutzen von IRIS² verloren – einerseits weil in militärischen Anwendungsszenarien oft Abschattungen gegeben sind und andererseits, weil es dem militärischen Gegner die elektronische Kampfführung erheblich erleichtert, wenn er nur zwei oder drei statt einem Dutzend Satelliten stören muss, um die Kommunikation über dem Konfliktgebiet auszuschalten. Gerade dies hat sich in der Ukraine als großer Vorteil von Starlink erwiesen. Eine weitere Einschränkung ergibt sich auch durch die geringe Anzahl an Satelliten gepaart mit den wenigen in Europa konzentrierten Gateways – bei so wenigen Satelliten und nur fünf über Europa verteilte Gateways wird sich für IRIS² ein enger Flaschenhals ergeben, der die Kapazität des Gesamtsystems massiv drosselt. Zwar ist die Orbitalgeometrie von IRIS² noch nicht bekannt, aber es ist davon auszugehen, dass über Europa zwangsläufig nur etwa 25-35 Satelliten sichtbar und damit in Funkreichweite der fünf Gateways sein werden. Angenommen die Funkverbindungen der Gateways erreichen einen Durchsatz von 10Gbps und selbst wenn jeder Satellit zur Bandbreitenaggregation parallel mit zwei Gateways verbunden wäre, bliebe die Systemkapazität auf den mittleren dreistelligen Gbps-Bereich beschränkt. Da so ein Großteil der Übertragungskapazität der Satelliten ungenutzt bliebt, vergeudet man nicht nur Kapital, sondern erstickt auch jede Perspektive auf Wettbewerbsfähigkeit. - Leistungsfähigkeit der Satelliten
Abgesehen von obigen Punkten scheint sich das Lastenheft für IRIS² hinsichtlich der Übertragungskapazität an den Starlink v1.5 Satelliten (15Gbps) zu orientieren. Während Starlink bereits seit 2023 seine „v2-Mini“ Satelliten mit 96Gbps Durchsatz ins All schießt und parallel an noch leistungsfähigeren Satelliten arbeitet, will Brüssel dann 2032 ein Netz in Betrieb nehmen, das schon neun Jahre zuvor technisch überholt war.
- Vertikale Integration
Während die amerikanischen Vorreiter die vertikale Integration verfolgen und damit die Entwicklung dynamisch, iterativ und ganzheitlich angehen, hat man bei IRIS² einigermaßen willkürlich ein Lastenheft verfasst, auf Grundlage dessen nun statisch Satelliten entwickelt werden. Systemweite Anpassungs- oder Optimierungsprozesse, die bei so einem umfangreichen und komplexen Projekt erforderlich wären, sind damit unmöglich. Vielmehr hat Eutelsat mit dem Verkauf seines 50%igen Anteils an OneWeb Satellites an Airbus genau das Gegenteil bewirkt, nämlich die vertikale Disintegration. Die für die Entwicklung und Aufbau einer auch nur annährend wettbewerbsfähigen LEO-Konstellation notwendigen Strukturen – und diese kann nur ein maximal integriertes singuläres Unternehmen entwickeln – gibt es in Europa schlicht und ergreifend nicht und lassen sich auch nicht per Dekret erschaffen. - Wettbewerb
Während die USA erfolgreich den Wettbewerb fördern, indem sich staatliche Stellen schon seit zwanzig Jahren in die Rolle des Käufers zurückziehen, zielgerichtet und unbürokratisch junge innovative Unternehmen fördern und es überwiegend dem Markt überlassen Raumfahrtsystems zu entwickeln – also jenem Ansatz, der bereits über ein Jahrzehnt als New Space in aller Munde ist – praktiziert man in Europa das exakte Gegenteil: der Staat bleibt Schirmherr und Auftraggeber immer größerer Raumfahrtprojekte, man schließt mittels überbordender Anforderungen praktisch alle Startups aus IRIS² aus und betreibt steuerzahlerfinanzierten Protektionismus zugunsten der Dinosaurier der Branche. Von den zahllosen Interessenkonflikten innerhalb des Konsortiums abgesehen, bewirkt man damit vor allem eines: man setzt Fehlanreize und schaltet den Wettbewerb defacto komplett aus. Die jahrelangen Forderungen der europäischen New Space-Branche und zuletzt auch des renommierten französischen Thinktanks Institut Montaigne dem bewährten amerikanischen Beispiel zu folgen, bleiben ungehört, trotzdem selbst China Wettbewerb unter seinen zwei großen geplanten Megakonstellationen (Guowang und Qianfan) forciert.
Trotz dieser eklatanten Widersprüche schwadroniert man aber in Brüssel weiterhin ungeniert davon, dass IRIS² doch „New Space-based“ sei und die Wettbewerbsfähigkeit Europas fördere. - Finanzierung
Aus informierten Kreisen wird kolportiert, dass Airbus und Thales Alenia Space bereits im Sommer letzten Jahres Zweifel an der privaten Finanzierungskomponente – immerhin €4 Mrd. und damit 38 % des Gesamtbudgets – geäußert und Staatsgarantien für die IRIS²-Aufträge verlangt haben. Insbesondere Eutelsat galt – wie die Spreads der CDS und Kurse der Bonds ja klar zeigten – bis vor kurzem als insolvenzbedroht. Dazu dürfte Airbus für die 100 nachbestellten OneWeb-Satelliten bereits gewisse Risiken eingegangen sein. Inwieweit Airbus weitere Risikogeschäfte mit Eutelsat (ob direkt oder indirekt) eingehen bzw. – angesichts der erwogenen Fusion seines Satellitengeschäfts mit dem von Thales und Leonardo – möchte, ist fraglich. Bislang scheint dieses Problem ungelöst und auch Eutelsats jüngste Kapitalerhöhung Eutelsats i.H.v. €1,35Mrd. (€ 150 Mio. weniger als erwartet) kann den Finanzierungsbedarf Eutelsats nur vorläufig decken, denn die rund 600 OneWeb Satelliten werden aufgrund ihrer Lebenszeit von 5-7 Jahren schon bald – jedenfalls lange bevor IRIS² in Betrieb geht – ersetzt werden müssen. Wie Eutelsat darüber hinaus seinen Finanzierungsverpflichtungen für IRIS² i.H.v. €2 Mrd nachzukommen gedenkt und ob für ein so eingeschränktes System wie IRIS² im Jahre 2032 überhaupt noch Nachfrage besteht, bleibt ebenso unklar.
Aufgrund der dargelegten schwerwiegenden architektonischen Mängel von IRIS² und der damit geschmälerten Geschäftsperspektiven für die privaten Konsorten, scheinen weitere Kapitalspritzen zulasten des französischen Steuerzahlers und wohl auch anderer europäischer Steuerzahler – ob direkt oder indirekt – unumgänglich.
Fest steht jedenfalls, dass IRIS² an aller technischer und ökonomischer Vernunft vorbeigeht, schon vom Start weg jeglichen Wettbewerbs und damit auch der Wettbewerbsfähigkeit verlustig geht und letztlich zu einem Milliardengrab zu werden droht. Geradezu abstrus wirken vor diesem Hintergrund die gebetsmühlenartigen Beteuerungen von der Stärkung der digitalen Souveränität sowie der Wettbewerbsfähigkeit Europas, die IRIS² bewirken soll. Es zeichnet sich ein noch größeres Desaster ab als jenes von Galileo – ein System, das dem amerikanischen GPS trotzen sollte, 433% teurer wurde als ursprünglich geplant, auch siebzehn Jahre nach geplanter Fertigstellung nicht im Vollbetrieb (Full Operational Capability) ist und neben dem Verlust mehrerer Satelliten zweimal für rund eine Woche komplett ausfiel (Juli 2019 und Januar 2023). Vor diesem Hintergrund sind die Pläne der Bundeswehr für eine eigene MEO-Konstellation als alternativlos zu betrachten.
Das Gespräch führte KTR vor und kurz nach der Übernahme der französischen Staatsgarantie für die Kapitalerhöhung Eutelsat wie eingangs beschrieben.
Quellen u.a.: