Im Ostseeraum verfolgen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des DLR-Instituts für Kommunikation und Navigation seit 2016 den Ansatz des landbasierten Funknavigationssystems Ranging-Mode (R-Mode). Beim Mittelwellen-R-Mode-Ansatz wird ein Netz von bestehenden Sendern der maritimen Administrationen im Ostseeraum modifiziert und für die Positionsbestimmung nutzbar gemacht. Allerdings können atmosphärische Vorgänge in der oberen Atmosphäre und unteren Ionosphäre die Genauigkeit des R-Mode-Verfahrens tageszeitabhängig verringern.
Genau an dieser Stelle setzt das Projekt AIR-MoPSy an. Nachdem das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern zu Beginn des Jahres 2024 einen Aufruf startete, Förderanträge für anwendungsorientierte Exzellenzforschung zu stellen, schloss sich ein Konsortium aus fünf regionalen Forschungseinrichtungen zusammen – darunter auch die DLR-Institute für Kommunikation und Navigation sowie für Solar-Terrestrische Physik am Standort Neustrelitz. Unter Koordination der Universität Greifwald erarbeiteten die beiden DLR-Institute zusammen mit den beiden Leibniz-Instituten für Atmosphärenphysik und Ostseeforschung das Konzept für das Projekt „Atmospheric Impact on the R-Mode Positioning System“, kurz AIR-MoPSy. Ziel des Projekts ist es, die komplexen physikalischen Wechselwirkungsprozesse der unteren Ionosphäre besser zu verstehen und Methoden zur Unterdrückung der nächtlichen Leistungsreduktion im R-Mode-System zu erarbeiten. Am 30. Juni 2025 fiel schließlich der Startschuss: In Anwesenheit von Bettina Martin, Ministerin für Wissenschaft, Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten des Landes Mecklenburg-Vorpommern und der DLR-Vorstandsvorsitzenden Prof. Dr.-Ing. Anke Kaysser-Pyzalla trafen sich die Projektbeteiligten erstmalig in der Universität Greifswald, um offiziell mit der Forschungsphase zu beginnen.
„Das Potential der R-Mode-Technologie, als alternatives terrestrisches Navigationssystem zu GPS und Galileo, hat für die Schifffahrt in den letzten acht Jahren seine Eignung erfolgreich bewiesen. Nun gilt es, dieses System noch flexibler und leistungsfähiger zu machen, um die Zuverlässigkeit und Resilienz maritimer Transportrouten zu gewährleisten. Das Projekt AIR-MoPSy trägt als Teil der anwendungsorientierten Sicherheitsforschung des DLR dazu bei, die Schifffahrt souveräner und effizienter zu machen. Damit leisten wir gemeinsam mit unseren öffentlichen Stakeholdern einen entscheidenden Beitrag für den Schutz unserer Wirtschaft“, betont Prof. Dr.-Ing. Anke Kaysser-Pyzalla, Vorsitzende des DLR-Vorstands, den Stellenwert des Forschungsvorhabens.
Die Ursache für die Störung des R-Mode-Verfahrens ist dabei durchaus bekannt: Oberhalb von 65 Kilometern Höhe ist ein Teil der Erdatmosphäre durch die intensive Sonneneinstrahlung ionisiert. Dieser Teil wird allgemein als Ionosphäre bezeichnet. Entdeckt wurde die Ionosphäre während der ersten Trans-Atlantik Radioübertragungen. Man stellte fest, dass es in etwa 100 Kilometern Höhe eine elektrische leitfähige Schicht (E-Schicht) der Erdatmosphäre geben muss, die das Signal reflektiert. Diese Ausbreitung wird seither als Raumwelle bezeichnet. Später wurde unterhalb der E-Schicht in einer Höhe zwischen 65 und 90 Kilometern eine weitere Ionosphärenschicht entdeckt, die als D-Schicht bezeichnet wird. Diese ist im Vergleich zur E-Schicht nur schwach ausgeprägt und wird von verschiedensten atmosphärischen Prozessen stark beeinflusst. In der D-Schicht werden langwellige Radiosignale, wie sie beim R-Mode-Verfahren verwendet werden, je nach Zustand der D-Schicht mehr oder weniger stark gedämpft oder sogar reflektiert. Nachts verschwindet die D-Schicht fast komplett, sodass die Raumwelle kaum gedämpft und somit der Empfang der R-Mode-Bodenwelle, das primäre Signal des Navigationssystems, stark beeinträchtigt wird. Dies führt zu einer reduzierten Leistungsfähigkeit des Navigationssystems in Abhängigkeit vom Verhältnis der empfangenen Leistung über beide Ausbreitungswege des Radiosignals. |
Diese Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit des R-Mode-Systems ist es, die die Forscher im Rahmen von AIR-MoPSy überwinden wollen. Gerade das DLR kann hier seine Expertise einbringen. Dabei liegen die Aufgaben des Instituts für Solar-Terrestrische Physik auf der Beschreibung und Modellierung der atmosphärischen und ionosphärischen Einflüsse auf das R-Mode-Signal. Messungen, die Rückschlüsse auf den Zustand der unteren Ionosphäre zulassen, werden mit R-Mode-Signalen und dem jeweiligen Zustand der Atmosphäre verglichen, um so Aussagen über die R-Mode-Genauigkeit bei verschiedenen Ionosphären- und Atmosphärenzuständen tätigen zu können. Außerdem soll erstmalig ein Modell der unteren Ionosphäre entwickelt werden, welches nicht nur wie bisher den geomagnetischen, sondern auch den atmosphärischen Einfluss mitberücksichtigt.
Das Institut für Kommunikation und Navigation bringt wiederum die Mittelwellen-R-Mode-Expertise und Messequipment ins Projekt ein. Ein bestehendes Netzwerk von R-Mode-Messstationen soll erweitert und mit Unterstützung vom Leibniz-Instituten für Ostseeforschung erstmals die R-Mode-Raumwelle messtechnisch erfasst werden. Die gewonnenen Erkenntnisse –insbesondere aus den Modellen der Radiowellenausbreitung in der unteren Ionoshphäre – soll in den DLR-R-Mode-Empfänger einfließen, um in Zukunft die Leistungsfähigkeit ganztägig zu verbessern und neue Anwendungsfelder zu unterstützen.
Das Land Mecklenburg-Vorpommern fördert das Projekt als anwendungsorientierte Exzellenzforschung. Anfang März 2025 wurde der Förderbescheid den Mitgliedern des Forschungskonsortiums im feierlichen Rahmen von Bettina Martin, Ministerin für Wissenschaft, Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten des Landes Mecklenburg-Vorpommern, überreicht.
Weiterführende Links
- DLR-Institut für Solar-Terrestrische Physik
- DLR-Institut für Kommunikation und Navigation
- Thema im Fokus: Weltraumwetter
- DLR-Nachricht: DLR erhält Förderung vom Land Mecklenburg-Vorpommern für anwendungsorientierte Exzellenzforschung
- DLR-Nachricht: Auf dem Weg zur Standardisierung: Satellitenunabhängige Navigation auf der Ostsee
- Artikel aus dem DLRmagazin 176: Nicht stören!Jamming und Spoofing – wenn Stör- und Tauchsignale die Navigation beeinträchtigen
- Universität Greifswald
- Leibniz-Institut für Atmosphärenphysik
- Leibniz-Institut für Ostseeforschung