Satelliten zur Verteidigung: Deutschland will – aber kann es auch?

Deutsche Flagge
© Microsoft online

Wie Klartext Raumfahrt bereits berichtete, testet das DLR mittels einer Abfrage zur Interessensbekundung die Möglichkeiten zum schnellen Erwerb von zwei Satellitenvarianten: die einen sollen fremde Raumfahrzeuge stören und die anderen solche inspizieren können. Beide Satelliten sollen mit Bordantrieb ausgestattet sein und über Technologien verfügen, die den Betrieb in unmittelbarer Nähe zu anderen Raumfahrzeugen ermöglichen. Die Ausschreibungen fordern eine Lieferung innerhalb von nur 11 Monaten nach Vertragsunterzeichnung sowie einen Start auf einer „nationalen Trägerrakete“. Jetzt gibt es Zweifel, ob Deutschland tatsächlich kann, was es will.

Julianna Suess von der SWP / Stiftung Wissenschaft und Politik merkt an: „Das ist Teil eines neuen politischen Willens, Deutschland widerstandsfähiger zu machen. Aber nach Jahrzehnten der Unterinvestition ist es schwierig, nun kurzfristig so viel Geld und so enge Zeitvorgaben umzusetzen.“ Die DLR-Ausschreibungen stehen Unternehmen weltweit offen. Allerdings ist bekannt, dass die Bundeswehr gezielt deutsche Anbieter anspricht, insbesondere KMU und solche, dies es werden wollen, Start-ups.

Experten sind skeptisch, ob die deutsche Raumfahrtbranche diese Anforderungen in so kurzer Zeit erfüllen kann. Den nur wenige Unternehmen weltweit haben bislang Satelliten mit Manövrierfähigkeit erfolgreich im Orbit betrieben. Zu den Vorreitern zählen die japanisch-britische Firma Astroscale, die 2024 eine erfolgreiche Inspektionsmission durchführte, und das italienische Unternehmen D-Orbit mit seinem ION Space Tug. Andere europäische und amerikanische Firmen wie ClearSpace, Northrop Grumman und Lockheed Martin haben ähnliche oder weiterentwickelte Technologien, jedoch fehlt es in Europa aktuell an einsatzbereiten Lösungen für kurzfristige Missionen.

Analyst Christian von der Ropp bezweifelt, dass diese Fähigkeiten ohne internationale Kooperation realisierbar sind: „Man wird pragmatisch sein müssen, denn ohne ausländische Beteiligung wird es nicht gehen. Gleichzeitig sollten Anreize für eine Lokalisierung geschaffen werden.“

Besonders kritisch sieht von der Ropp die Forderung nach einem „nationalen Launcher“:

  • Keinem der deutschen Start-ups – darunter Rocket Factory Augsburg, HyImpulse und Isar Aerospace – ist es bislang gelungen die Atmosphäre zu verlassen.
  • Auch Europas Schwerlastrakete Ariane 6 ist in jeglicher Hinsicht ungeeignet – unerprobt, nicht wiederverwendbar, unzureichende Startkadenz und im Ergebnis viel zu teuer und unflexibel
  • der kleinere Vega-Launcher hatte ebenso mit erheblichen Problemen zu kämpfen.

Von der Ropp sieht daher keine Alternativen zu etablierten US-amerikanischen Anbietern wie SpaceX, Rocket Lab und zukünftig Blue Origin. Zudem sei die DLR-Initiative ein „Warnschuss“, der auch eine klare Botschaft an mögliche Gegner sendet: Deutschland ist im All weitgehend „taub und blind“, die Ambitionen aber, dies abzustellen, sind – jedenfalls für deutsche Verhältnisse – sehr ausgeprägt.  Ob diese auch auf entsprechende Fähigkeiten im Lande treffen, sollten die Ergebnisse der Markterkundung des DLR zeigen, sofern sie veröffentlicht werden. Die Frist für Interessensbekundungen ist jedenfalls schon seit 1. September abgelaufen.

Dieses aktuelle Verfahren wird vor allem eines liefern: den Lackmustest für die Wandelbarkeit besonders der oliv-grünen Beschaffungsbürokratie: Jahrzehntelang hatte sie kein Geld und alle Zeit der Welt. Auf einen Schlag ist es jetzt genau umgekehrt. Dieser Paradigmenwechsel ist nicht nur präzedenzlos. Er ist vor allem alternativlos. Oder man setzt von Anfang an voraus, dass so etwas hier eh nicht klappt und zieht die entsprechenden Konsequenzen, wie von der Ropp gegenüber Klartext Raumfahrt erläuterte: „Angesichts fehlender nationaler Fertigungskapazitäten und insbesondere mangelnder Erfahrung im Aufbau und Betrieb von LEO-Konstellationen ist fraglich, in welchem Umfang die LEO-Komponenten der neuen Bundeswehr-Weltraumarchitektur tatsächlich in Deutschland produziert werden können. Wahrscheinlich ist, dass angesichts der Bedrohungslage, des technischen Risikos und des erheblichen Zeitdrucks zentrale Aufträge an Hersteller vergeben werden, die über die erforderliche Erfahrung und Produktionskapazität verfügen – allen voran SpaceX, das mit seiner von Starlink abgeleiteten militärischen Satellitenplattform „Starshield“ ein bereits erprobtes System liefern kann. Gerüchteweise laufen bereits dahingehende Gespräche.“

Berührungsängste der Bundesregierung gegenüber SpaceX dürften dabei tatsächlich keine Rolle spielen, ganz einfach, weil es die nicht gibt. Das belegen schon die regen Geschäftsbeziehungen verschiedener Ressorts mit dem amerikanischen Unternehmen, die KTR bereits am 6. Juni an dieser Stelle veröffentlichte.

Allerdings: maximal pragmatisch wäre es wohl, beide Wege gleichzeitig zu gehen, dabei die Hoffnung auf Spuren von Leben selbst im letzten Winkel der Bürokratie nicht zu verlieren, um irgendwann wie schon Galileo Galilei vor 392 Jahren sagen zu können: „Und sie bewegt sich doch!“

Quellen:

https://starfightersspace.com/spacenews-analysts-question-germanys-request-for-defensive-and-inspector-satellites/

https://ausschreibungen-deutschland.de/2361127_Deutschland__Forschungs-_und_Entwicklungsdienste_und_zugehoerige_Beratung__2025_Bonn

https://klartext-raumfahrt.de/statt-starlink-business-fuer-den-bund/

Christian Freiherr von der Ropp, Gespräch mit KTR vom 22. Oktober 2025