Quo vadis, Mynaric? Systemrelevantes Schnäppchen zwischen Bundeswehr und Rocket Lab

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© Mynaric

Analyse und Kommentar des Status Quo

Seit März des Jahres steht im Raum, dass Rocket Lab die Absicht hat, den Laserspezialisten Mynaric zum Schnäppchenpreis von 75 Millionen Euro mit Option auf weitere 75 Millionen Investitionsnachschlag aus dem Gefüge der eigenständig deutschen Unternehmen mit Raumfahrt-Spitzentechnologie herauszulösen und dem US-Unternehmen einzuverleiben. Wie bereits an dieser Stelle dargelegt, wäre der Deal für Rocket Lab ein gleich dreifacher Glücksfall. Zum einen ist die Lasertechnologie von Mynaric genau das, was Rocket Lab sowohl als aufstrebendes „Amazon der Raumfahrt“ als auch als kommender Konstellationskonkurrent von Starlink braucht. Zum anderen könnte der Verweis auf die deutschen Gene von Mynaric dazu führen, dass der amerikanische Konzern in Deutschland und Europa öffentliche Aufträge abräumt; und schließlich bedeuten angesichts auch der technologisch quasi systemrelevanten Rolle von Mynaric im 515-Millionen-Dollar Auftragsgefüge von Rocket Lab für die amerikanische Space Defence Agency (SDA) 75 Millionen Euro nur den sprichwörtlichen Griff in die Portokasse – wobei obendrein offen ist, ob die Finanzierung nicht sogar unbar in Aktien von Rocket Lab laufen würde. Klarer Fall also: für Rocket Lab in jeder Hinsicht ein spektakulärer Gewinn, und für die mit der Allianz verbandelte amerikanische Investmentgesellschaft „PIMCO“ (Pacific Investment Management) das Ende einer Achterbahnfahrt, bei der alle anderen Investoren mit der Fliehkraft des STARUP-Verfahrens aus ihren Sitzen heraus ins Nirwana geschleudert wurden.

Doch abgesehen vom Schicksal der ehemaligen Anleger: Was bedeutet es für die deutsche und europäische Raumfahrt, wenn Rocket Lab hier abräumt?

  • Tatsache ist, dass die Lasertechnologie des Unternehmens der zentrale Gamechanger in der Entwicklung jeglicher Raumfahrttechnik der Zukunft ist: jeder, der hier noch ein paar Tage länger eine Rolle spielen will, wird sie brauchen – egal, ob öffentliche Institution oder privatwirtschaftliches Unternehmen mit Konstellationsambitionen
  • Als sicher kann schon nach gewöhnlicher Lebenserfahrung gelten, dass die Prioritäten in der künftigen Auftragsbewältigung von Mynaric eher von Geschäftsinteressen und -volumina des Mutterkonzerns – und eben nicht von verbliebenen deutschen Genen Mynarics bestimmt werden
  • Als gewöhnungsbedürftiger Begleitumstand dürfte sich die Position deutscher und europäischer Auftraggeber am Katzentisch geopolitischer Spielchen um Technologie-Ressourcen entwickeln – und das gerade jetzt, wo sich die Bundeswehr mit aller Kraft auf den hoffnungsvollen Weg zu raumfahrttechnisch maßgeblicher Größe macht.

Gerade letztgenannter Punkt ist ein potentieller Auslöser besonders nationaler Kopfschmerzen. Denn wenn auch das Getöse der Brüsseler Spitzen um ihr Projekt zur praktischen Übernahme europaweit militärischer und institutioneller Kommunikation aus den Händen der Nationen umso lauter wird: je deutlicher das Iris2-Vorhaben wegen Untauglichkeit in jeder Hinsicht auf sein vorzeitiges Ende zusteuert, desto klarer sind doch auch nun die Stimmen gerade in Deutschland zu vernehmen, die die Aufgabe der Herstellung souveräner und sicherer Kommunikationskanäle im und über den Weltraum – militärisch wie institutionell – klar und eindeutig nur bei der Bundeswehr sehen. Und damit rein praktisch gesehen bei denen, die von Staat und Bundeswehr gerade in diesen Tagen in bisher undenkbarem Umfang mit dem unverzüglichen Aufbau raumfahrttechnischer Entwicklungs- und Produktionskapazitäten betraut werden. Auch für sie, und das kann man kaum genug betonen, ist der Eintrittspreis von 75 Millionen Euro in die Zauberwelt der Lasertechnik so verschmerzbar wie etwa die 7,50 Euro für die Kinokarte des Normalbürgers zum Eintritt in die fiktionale Welt des Kriegs der Sterne.

In dieser Gemengelage passiert nun das, womit wohl so schnell keiner gerechnet hat – deutsche Behörden tun das, was man von ihnen gewohnt ist: sie stehen auf der Bremse, und keiner beschwert sich. Zumindest in Europa und in Deutschland nicht, dafür steigt anderswo die Nervosität. Denn wie aus für gewöhnlich gut unterrichteten Quellen verlautet, sollte die Prüfung des Unternehmensverkaufs nach USA durch die entsprechenden Exportkontrollstellen der Bundesregierung schon Ende Oktober mit entsprechendem Bescheid abgeschlossen worden sein – ist es aber nicht. Schon diese Verzögerung – was sind schon ein paar Tage für den bürokratiegewohnten Europäer – scheint sich in der Kommunikation zum Thema jenseits des Atlantiks zum Aufreger zu entwickeln.

Ein untrügliches Zeichen dafür, wie enorm hoch andere den Wert von Mynaric einschätzen? Sicher. Auch dafür, dass hierzulande dasselbe auf höchster Ebene passiert? Hoffentlich.

Quellen:

https://prismmarketview.com/rocket-labs-bid-for-mynaric-faces-sovereignty-and-regulatory-headwinds/

https://www.wiwo.de/finanzen/steuern-recht/mynaric-gilching-wir-haben-ein-problem/30143146.html

https://www.boerse-frankfurt.de/nachrichten/EQS-Adhoc-Mynaric-sichert-sich-USD-28-Mio-Ueberbrueckungsdarlehen-verlaengert-drei-ausstehende-Ueberbrueckungsdarlehen-stimmt-USD-25-Mio-Sanierungsdarlehen-zu-und-beschliesst-Restrukturierung-nach-dem-StaRUG-deutsch-e80dbf45-01c4-4d8b-a131-ba6cf0ac8ba0