AST Space Mobile und IRIS²  – Die haarsträubenden Methoden eines Tech-Investment Influencers

©EUSPA, ©EU Agency for the Space Programme

薛丁格的貓 – Schrödingers Katze: Dies ist der Name eines auf Youtube seit dem 2. Oktober 2021 aktiven Investment-Influencers aus Hongkong, getarnt durch einen weiblichen Avatar mit reinem US-Ostküsten-Akzent. In den vergangenen vier Jahren hat er mit 190 Videos eine kleine Gemeinde von 98 Fans und 11.311 eher zufälligen Zuschauern beglücken können. Die Youtube-Beiträge fußen auf Dialogen zweier Moderatoren entweder in traditionellem Chinesisch oder aber kommen, sobald es um europäische und/oder amerikanische Themen bzw. Interessen geht, in klarem US-Ostküsten-Englisch daher.

Soweit erkennbar, haben alle Beiträge mehr oder weniger ein Charakteristikum gemeinsam: Sie stellen ein in der Regel neues oder noch gar nicht am Markt etabliertes Produkt in den Vordergrund und berichten über einen angeblichen Hype, den es insbesondere in Investorenkreisen ausgelöst haben soll. Der Trick dabei: Die ganze Story fußt auf zwei, vielleicht drei Fakten, um die herum ein gigantisches Gebäude frei erfundener (oder zumindest nicht faktisch begründbarer) Aussagen aufgetürmt und dann als komplexer Mix unterschiedlichster Gerüchte wieder in eine Diskussion zurück gespiegelt wird, die ohne diesen Beitrag gar nicht erst entstanden wäre.

Beispiel der jüngsten Zeit: Die Frage, ob und wann AST Space Mobile dem SpaceRise-Konsortium aus Eutelsat, SES und Hispasat das staatliche IRIS2-Projekt Europas entweder in Teilen oder ganz aus der der Hand nimmt und das technische Konzept der drei durch die hochgelobte ASTS – Alternative der Direct-to-DeviceTechnik über deren neu entstehende Konstellation von BlueBird-Satelliten ersetzt wird. Der Hintergrund laut Schrödingers Katze: bis Ende 2025 solle ein kritischer Review in Europa das Projekt, bei dem das Konsortium wegen der Überschreitung von Zeit- und Kostenplänen mit dem Rücken zur Wand stehe, beenden oder aber durch Hereinname neuer Partner in wesentlichen Teilen neu gestalten können. Und das schließlich sei die große Chance für ASTS.

Die Sache mit dem Review stimmt – alles andere ist Fake pur.

Jetzt gerät die Katze aber erst richtig in Fahrt: Angeblich wurde am 10. November bei der dritten Quartalskonferenz des texanischen Unternehmens diese Frage gestellt; dazu weist Schrödingers Katze dann auch gleich darauf hin, dass ASTS sie nicht bzw. nichtssagend beantwortet habe – sprich: ASTS keine Schuld an dieser Gerüchteküche treffe. Aber einmal so in die Welt gesetzt, wächst sich in dem Bericht nun auch schon das Gerücht des möglichen Einstiegs von ASTS zum „glühend heißen Investoren-Narrativ“ aus, flankiert vom Hinweis auf einen nicht näher beschriebenen Post mit unbenanntem Absender auf X am 11. November, demzufolge die ASTS-Technik jener der drei Konsortialisten einfach überlegen ist.

Von hier aus geht es munter weiter zum Ankerfakt Nummer 2 – der Tatsache, dass ASTS und Vodafone 2025 eine gemeinsame europäische Firma namens Satco in Luxemburg gegründet haben und überdies beabsichtigen, in Deutschland – entweder bei Hannover oder bei München – das europäische Satellitenkontrollzentrum der Konstellation aufzubauen. Das stimmt, ist hier aber auch wieder die einzige Wahrheit. Und es wird munter weiter fabuliert: Laut Schrödingers Katze wird die Satco-Gründung aber dann doch nicht ganz ausreichen, um aus dem texanischen Satellitenbetreiber ein lupenreines europäisches Unternehmen, elegibel für Aufträge aus dem IRIS2-Paket zu machen. Es bleibe also für den Moment nach aller Wahrscheinlichkeit dabei, so die Katze, dass die Herkunft von ASTS als potentieller EU-Auftragnehmer nicht mit dem Souveränitätsanspruch der Europäer kompatibel zu machen ist. Hier weicht der Text im Video sogar eklatant und dreist vom Ankündigungstext zum Video ab, in dem von einer „60-70prozentigen Wahrscheinlichkeit des Eintritts von ASTS in IRIS2“ die Rede ist, weil Europa notgedrungen gar nicht anders handeln könne. An versteckter Stelle im Video wiederum erfolgt in diesem Zusammenhang der Hinweis, dass es überhaupt keine Kontakte oder auch Gespräche gegeben habe, IRIS2 für ASTS zu öffnen, und die drei Konsortialisten auch wohl kaum ohne rechtliche Auseinandersetzung auf drei Milliarden aus dem Paket verzichten würden. Egal, wie hanebüchen spätestens ab dieser Textstelle die Diskussion verläuft, egal, was eine ebenfalls in diesem Kontext diskutierte ASTS-Beteiligung am Golden Dome der US-Streitkräfte mit dem Ganzen zu tun hat, und auch egal, woher nun plötzlich diese ominösen 3 Milliarden Iris-Auftragskapital stammen – das Ziel ist, soweit mit solchen Methoden möglich, nun erreicht: Dichter Rauch Dutzender Nebelkerzen wabert über dem Feld der vielen aktivierten Gerüchte, und wo Rauch ist, da ist schließlich auch Feuer – so ein einfaches Kalkül.

Wer aber glaubt, mehr geht nicht und das war´s jetzt, wird schnell eines Besseren belehrt: Den stärksten rhetorischen China-Cracker hat sich Schrödingers Katze für den Schluss- und Höhepunkt des Beitrags aufbewahrt, wenn sie direkt den Zuhörer fragt: „Wird die schiere Nützlichkeit und vielleicht Notwendigkeit von Direct-to-Device-Technologie Europa am Ende dazu zwingen, bei seinen Souveränitätszielen Kompromisse zu machen, um die bestmögliche Kommunikation für Bürger und Dienste zu sichern? Diese Frage könnte einen großen Teil der europäischen Raumfahrtpolitik im kommenden Jahrzehnt bestimmen“.

Damit bläst Schrödingers Katze das ganze sorgsam aus dem Nichts aufgebaute Narrativ pro ASTS, welches laut diversen Beteuerungen der Katze nicht von ASTS begründet, beauftragt oder gesteuert wurde, nun gar zur Frage von Sein oder Nichtsein für Europas Raumfahrt auf – ganz nebenbei erweist sich so nun der Name der Katze als Programm. Die technische Überlegenheit von ASTS D2C wird ohne weitere Begründung als feststehende Tatsache in den Raum gestellt und so sehr simpel insinuiert, diese Feststellung sei das Ergebnis des ganzen vorausgegangenen Beitrags. Spätestens jetzt soll wohl der eine oder andere Investor in blindem Vertrauen auf die haltlosen Verheißungen von Schrödingers Katze hereinfallen und das Geld seiner Anleger in ein ASTS-Engagement investieren – das zumindest scheint der Plan – der „Plan“ eines Tech-Investment Influencer-Hasadeurs aus Hongkong namens „Schrödingers Katze“.

Quellen:

https://www.vodafone.com/news/corporate-and-financial/vodafone-and-ast-space-mobile-sign-agreement-to-create-european-direct-to-device-satellite-service-provider

https://newsroom.vodafone.de/vodafone-ast-spacemobile-waehlen-luxemburg-als-hauptsitz-ihres-joint-ventures

https://www.heise.de/news/Vodafone-und-AST-SpaceMobile-bauen-Satelliten-Betriebszentrum-in-Deutschland-11069162.html

https://www.youtube.com/watch?v=7OnbzYjszyo