Klartext Raumfahrt

Nihil fit sine causa

Avio und Arianespace: Szenen einer Ehe

Perfekt
© Janke

Hinter´m Zaun ist das Gras immer grüner

Dass Avio und Arianespace nicht immer ein Herz und eine Seele bleiben würden, deutete sich schon im Juni 2022 an, als Avio eröffnete, von der italienischen Regierung 340 Millionen Euro für die Entwicklung eines neuen Methan-Sauerstoff-Triebwerks (Metalox) für die erste Stufe und eines Demonstrators für eine teilweise wiederverwendbare Trägerrakete erhalten zu haben. Parallel wählte CNES Avio im Juli 2022 zusammen mit sechs anderen Startdienstleistern aus, um die kommerzielle Startanlage zu nutzen, die im Raumfahrtzentrum Kourou in Französisch-Guayana auf dem Gelände des ehemaligen Diamant-Startkomplexes gebaut wird. Zu diesem Zeitpunkt war noch unklar, welchen Zweck Avio mit dieser Anlage verfolgen würde, da das Unternehmen bereits Starts mit Vega und Vega-C durchführt.

Ein Jahr später setzte das Unternehmen allen Spekulationen ein Ende, indem es klar sagte, dass dieser wiederverwendbare Demonstrator als Vorläufer für eine völlig neue Produktlinie des Unternehmens dienen würde.

 

Scheidung mal anders: Hybridmodell aus Trennungsjahr und offener Ehe

Am 26. Oktober 2023 verlangte Avio offiziell die Trennung von Arianespace. Gewundert hat es zu diesem Zeitpunkt schon niemanden mehr, war doch sehr deutlich geworden, wie konsequent Avio mit starker Rückendeckung durch die italienische Regierung an einer eigenständigen Position zur Vermarktung der Vega C über die Bemühungen von Arianespace hinaus schon arbeitete.

 

In der November-Konferenz von Sevilla gaben die für Raumfahrt zuständigen Minister der ESA-Mitgliedsländer offiziell für diese Trennung grünes Licht. Italien, Frankreich und Deutschland federten diesen Schritt allerdings komfortabel mit der Finanzierungszusage für die bevorstehenden Starts der verspäteten Ariane 6 und der kompakten Vega-C-Raketen ab.

Dies eröffnet Avio die Möglichkeit, Vega-C neben der bestehenden Partnerschaft mit Arianespace unabhängig zu betreiben. Ebenfalls zugesagt im Rahmen der ESA wurde die Finanzierung der Ariane 6 bis 2029 und die Blindbeschaffung von mindestens vier Raketen ihrer Art pro Jahr auf unbestimmte Zeit.

 

Avio geht es damit gut

Das bestätigen auch die Fakten zur Bilanz bis 31.12.2023, die Avio unlängst der Öffentlichkeit präsentierte. Der Umsatz betrug 343,7 Mio. EUR im Vergleich zu 371,38 Mio. EUR im Vorjahr; Der Nettogewinn stieg auf 6,49 Mio. EUR gegenüber dem Vorjahresnettoverlust von 0,434767 Mio. EUR. Die tatsächliche Umsetzung der Trennungsvereinbarungen mit Arianespace bedarf noch einiger zeitintensiver juristischer Maßnahmen. Bis dahin jedenfalls scheint das Hybridmodell aus Trennungsjahr und offener Ehe kommod zu funktionieren.

Quellen:

https://www.avio.com/press-release/fy-2023-results

https://orbitaltoday.com/2023/11/08/avio-is-leaving-the-control-of-esa-and-arianespace-creating-a-new-launch-vehicle/