Europas neues Weltraumgesetz EUSL
Ende März 2024 will die Kommission den Entwurf eines EU-Raumfahrtgesetzes – geführt unter dem Akronym EUSL, für EU Space Law – annehmen, welcher Vorschriften für das Vorgehen der EU in drei Hauptbereichen vorsieht:
- Sicherheit: Es werden gemeinsame Vorschriften für die Vermeidung von Zusammenstößen und zur Eindämmung von Weltraummüll festgelegt.
- Widerstandsfähigkeit: Es werden gemeinsame Vorschriften für Risikomanagement und Cybersicherheit festgelegt, die auf den Weltraumsektor zugeschnitten sind.
- Nachhaltigkeit: Es werden gemeinsame Vorschriften für die Bewertung von Lebenszyklen von Weltraumtätigkeiten und zur Vermeidung der Lichtverschmutzung des Nachthimmels festgelegt.
Das Thema wird bei der EU unter den Stichworten „Institutionelle Angelegenheiten, Klimaschutz, Außen- und Sicherheitspolitik“ verortet, als Rechtsakt ist es zunächst einmal noch ein „Vorschlag für eine Verordnung“, und als Kategorie gehört es in das „Arbeitsprogramm der Kommission“.
Brüssel: Das Licht bleibt an
Zunächst sieht also alles danach aus, als sei man bemüht, die Sache auf kleinster Flamme vor sich hinköcheln zu lassen. Dazu passt dann auch, dass die Kommission die Annahme des Vorschlags für einen Zeitpunkt um den 31. März 2024 und damit Ostersonntag terminiert. Die Wahrscheinlichkeit, dass irgendwo auf der Welt irgendjemand jenseits des inneren Zirkels der damit bei der EU Befassten genau diese Angelegenheit als DIE Priorität dieser Feier- und Ferientage annimmt, dürfte gegen Null tendieren. Ob das System hat? Das kann man zwar nicht mit Sicherheit behaupten, aber zumindest kommt es öfter vor, als man vielleicht glaubt; die Unterschrift der Kommission unter den Vertrag mit ihrem zur Wahl von vornherein feststehenden Monopol-Konsortium für IRIS2 – zum Verständnis: die Rede ist von einem „Wahl“-Vorgang in Westeuropa, nicht in Russland – ist für den gleichen Zeitraum vorgesehen. Nun, wenn das so ist, lohnt sich wenigstens bei dem Trubel um besondere Ostereier der EU dann ja, Heizung und Licht in Brüssel über die Feiertage eingeschaltet zu lassen.
Die renommierte wie spezialisierte Rechtsanwaltskanzlei Heuking hat die Lage genau unter die Lupe genommen; dem geneigten Leser mit großem Interesse an juristischen Details sei der beachtenswerte Beitrag unter dem Titel „Ready for Impact? Vorschau auf das kommende EU-Weltraumgesetz“ nachdrücklich empfohlen. Link siehe Quellen unten.
An dieser Stelle merken wir als Redaktion KTR vergleichsweise erheblich grobkörniger, als es die Rechtsexperten tun, zur Sache an:
Die Rhetorik der EU mit dem Ziel der Etablierung eines EUSL betont zwar die Aspekte der Sicherheit von Raumfahrtaktivitäten, spricht dabei aber nur von Kollisionsrisiken und Schäden durch Müll, will die Infrastrukturen gegen Cyberangriffe wappnen, sagt aber (noch) nicht wie, redet von Nachhaltigkeit des Raumfahrtbetriebs, scheint aber vorrangig nur die Förderung der EU-Kompetenzen durch Ausbau eigener Institutionen zu meinen; an vorderster Linie zu nennen ist hier die EU SST, die mit ihren Leistungen – zu 100 Prozent auf Kosten europäischer Steuerzahler und von der deutschen Bundesregierung dafür in ihrer Raumfahrtstrategie hoch gelobt – die kommerziellen Raumfahrtaktivitäten von Großkonzernen aller Herren Länder und damit die Konkurrenz der eigenen Raumfahrtindustrie subventioniert und nebenbei damit Geschäftsmodelle deutscher und anderer europäischer Startups torpediert.
Die Veröffentlichung des Vorschlags für die Ausgestaltung eines EUSL wird, so bleibt zu hoffen, alle Unklarheiten bezüglich der Umsetzungsdetails beseitigen. Allerdings scheint, auch dazu mehr und detaillierter das Papier der Kanzlei Heuking, schon hier und dort der Verdacht ausgeprägt, dass die EU hier vor allem neue bürokratische Hürden aufbaut, in deren Schutz der Ausbau ihrer institutionellen Eingriffe in die Entwicklung der europäischen Raumfahrt betrieben werden soll.
Bayern: Leuchtfeuer im deutschen Dunkel
Sollte sich dies bewahrheiten, wird die Diskussion nach Ostern noch letzte Einspruchsmöglichkeiten bieten. Allerdings war die deutsche Beteiligung an dem vorangegangenen Diskurs schon nicht durch überbordenden Eifer geprägt. Allein die Bayerische Staatsregierung meldete sich zu Wort und verwies am 28. November 2023 darauf, dass „neue Regelungen zur sicheren, geschützten und nachhaltigen Nutzung des Weltraums auf ein notwendiges und angemessenes Maß beschränkt werden (sollten)“ der NewSpace-Markt sowie Startups, KMU sowie Forschungseinrichtungen und Universitäten als wichtige Raumfahrtakteure nicht bürokratisch in ihrer Entwicklung behindert werden dürfen.
Damit nimmt Bayern in vollständiger Ermangelung von Stimmen aus Berlin immerhin noch die Chance wahr, vorsorglich die Pflöcke für eine deutsche Position einzuschlagen, sodass das Feld nicht ganz vielfach engagierteren Ländern wie Malta und Belgien überlassen bleibt. Allerdings ist das Verhalten der Bundesregierung in sich schlüssig und konsequent in Linie mit dem Prinzip ihrer „Raumfahrtstrategie“, wesentliche Weichenstellungen ohnehin von der nationalen Ebene weg auf die höheren Ebenen der EU zu delegieren.
Bereits 2008 rettete die EU, genauer: der Ausschuss für Verbraucherschutz des Europäischen Parlaments das Überraschungsei vor dem Aus. Lediglich ein Warnhinweis muss Eltern von Kleinkindern seither auf seine Gefahren hinweisen. Damit steht einem Ü-Ei der EU-Kommission selbst zu Ostern 2024 keine eigene Verordnung im Wege. Offen bleibt jedoch derzeit die Frage, wer sich dann an der Gestaltung des Warnhinweises beteiligen wird.
Quellen:
Einschätzung von Kanzlei Heuking vom 14.03.2023: