Klartext Raumfahrt

Nihil fit sine causa

„Demokratisierung“ der Raumfahrt: Anspruch und Wirklichkeit

copyright: The Exploration Company

Die mittlerweile mehrheitlich ungeachtet ihrer Nationalität nur noch auf Englisch verfügbaren Internetpräsenzen insbesondere von Startups haben dem Siegeszug eines Begriffs Schub verliehen, den er in anderen Sprachen wohl nicht so schnell absolviert hätte; die Rede ist vom Terminus der „Demokratisierung der Raumfahrt“. Es ist mehr als nur ein Begriff, und erst recht mehr als ein ansonsten beliebig austauschbares Modewort. Er ist Ausdruck eines Sendungsbewußtseins, einer Mission, oder auch, wenn man so will, einer „Ideologie“ hinter allen die Startup- und NewSpace-Szene prägenden kommerziellen Aspekten. Die Raumfahrt zu „demokratisieren“ bedeutet, sie aus der Exklusivität der großen Oligopole wie SpaceX zu lösen und den Zugang zu ihrer Anwendung und Nutzung so breit wie möglich zu gestalten. Das braucht Ideen, Technik und Geld – und je mehr von allem, desto lieber.

The Exploration Company und ihr Raumfrachter Nyx

Am Beispiel des deutsch-französischen Startups „The Exploration Company“ mit Sitz im bayerischen Planegg, lässt sich die Antwort auf die Frage nach einer Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit einer „Demokratisierung“ der Raumfahrt etwas weiter eingrenzen.

„The Exploration Company“ ist ein klassisches NewSpace-Startup auf den drei klassischen Säulen: ein innovatives Produkt für einen neuen Markt auf Grundlage der Finanzierung mit Wagniskapital.

Das Produkt heißt Nyx, in Anlehnung an die Göttin der Nacht und Finsternis in der griechischen Mythologie. Dabei handelt es sich um einen Raumfrachter, der sowohl Güter zu Raumstationen bringen als auch von ihnen wieder abholen kann. Nyx ist wiederverwendbar, kann im Raum verbleiben und dafür im Flug mit seinem Treibstoff, dem auf der Erde als Blondierungsmittel bekannten Wasserstoffperoxid betankt werden und bis zu fünf Tonnen Fracht aufnehmen. Dafür wiegt Nyx selbst dann auch schon zehn Tonnen. Nyx grenzt sich von bekannten Raumfrachtern durch die angepeilten weitaus geringeren Kosten ab und zielt auf einen Markt, den es noch gar nicht gibt: das Feld der kommenden privaten Raumstationen um Erde und Mond. Tatsächlich hat das Unternehmen bereits eine Buchung für den ersten Einsatz circa 2027 angenommen: das amerikanische Unternehmen AXIOM braucht dann ein Versorgerschiff für seine neue Raumstation, die zumindest in erster Struktur ab 2026 im All installiert werden soll. Parallel dazu soll dann auch eine erste halbjährige Testmission von Nyx stattfinden, bevor es ein Jahr später dann für beide Partner und ihre Produkte ernst wird.

Darüber hinaus ist auch die Weiterentwicklung von Nyx hin zu einem astronautischen Raumschiff denkbar, wenn auch naturgemäß deutlich teurer. Nichtsdestoweniger sehen die Planungen für alle Nyx-Szenarien deutliche Kostenvorteile gegenüber klassischen Vehikeln vor; mit Nyx kann so entstehen, was eines Tages dann zur Routine „all“täglicher Weltraumlogistik wird – und als solche wiederum den Boden für immer neue, kleine wie große, günstige wie aufwendige, aber immer kommerzielle Ideen, Projekte und Produkte bereiten.

Soweit hat es tatsächlich schon eine gewisse Berechtigung, Projekt und Unternehmen als Pioniere der „Demokratisierung“ der Raumfahrt zu apostrophieren. Einzig der Startbetrieb mit einer Großrakete wie Falcon 9 und Ariane 6 stellt noch ein zumindest theoretisches Nadelöhr dar. Denn zumindest SpaceX hat mit Dragon ja ein eigenes Interesse am Markt für Raumstationsversorgung. Ideal wäre daher die Verbreiterung der Basis an potentiellen Startdienstleistern, aber da ist außer den Leichtgewichten des NewSpace in Europa – ob nun Miura 5, Spectrum, RFA ONE, Maja oder SL1 – noch nichts in Sicht.

Space Call

In der Zwischenzeit zeigt The Exploration Company zusammen mit den Organisationen „Space Elevator“ aus Frankreich und „Robinson Aerospace“ aus Australien im Projekt „Space Call“, was Demokratisierung der Raumfahrt auch bedeutet: Schüler aus der ganzen Welt können Teil einer Weltraum-Mission werden. Sie basteln beispielsweise ein Modul für einen Cubesat, welches in der Lage ist, die Nachricht einer Schülergruppe aus Land A als Morsecode in der Landessprache der Empfängergruppe aus Land B zu senden. Die Botschaft: Demokratisierung der Raumfahrt auf Basis der drei Standbeine globale Kooperation, freier Zugang zum All für alle und die Chancen der besonderen Umgebung Weltraum für Wissenschaft und Technologie.

Sehr weit, so scheint es, sind Anspruch und Wirklichkeit bei der Demokratisierung der Raumfahrt nicht voneinander entfernt – dank neuer Unternehmen wie The Exploration Company.

Quelle u.a.:

https://www.exploration.space/