IRIS² – neues Erfolgsrezept: Mal jemand fragen, der was davon versteht

©EUSPA, ©EU Agency for the Space Programme

Wie KTR berichtete und es mittlerweile auch von führenden klassischen wie online-Medien aufgegriffen wurde, leidet das EU-Projekt IRIS2 unter massiven Defiziten in allen kritischen Bereichen, namentlich:

  • Raumsegment
  • Bodensegment
  • Systemarchitektur
  • Management und Finanzierung.

Dem trägt nun offenbar die ESA Rechnung und beabsichtigt, für IRIS2 ein eigenes Koordinationsbüro in ESTEC zu etablieren, welches in Richtung EU, Industrie und interne ESA-Bereiche die Fäden in die Hand nimmt. War seitens der EU insbesondere unter Breton das Auftürmen des Berges technischer, administrativer und finanzieller Defizite des Projektes nur deshalb in der bekannten desaströsen Größenordnung möglich, weil, wie schon andere Brancheninsider wie Michaël R.C. De Coninck feststellten, IRIS² so etwas wie der Versuch der EU ist, „to turn geopolitics into phantasy football for bureaucrats“, so geht die ESA jetzt einen mutigen Schritt in die entgegengesetzte Richtung und sucht Leute, die etwas von dem verstehen, was sie tun. Denn bisher, hier nochmal De Coninck, war IRIS² „the thing stiched together by people who didn´t think markets, logistics, or even the end users mattered much“, in „IRIS², Europe´s Fantasy Satellite League, now with Real Money and No Wins“.

Nachfolgend zitieren wir im Original aus der Stellenausschreibung. Wie schnell ersichtlich wird, geht es tatsächlich darum, genau den Defizitbereichen im Fadenkreuz der Kritik nach vielen Jahren des Vakuums nun eine sachkundliche Führung voranzustellen. Die  zart eingearbeiteten kleinen Werbezeilen über IRIS² lassen wir dabei aus humoristischen Gründen unkommentiert für sich selber sprechen.

Space Segment Engineering
Leading the development of key components of the IRIS² ecosystem related to the space segment:

Ground Segment Engineering
Leading the development of key components of the IRIS² ecosystem related to the ground segment:

Are you ready to solve the engineering challenges at the heart of a secure European communications infrastructure?

System Architecture & Validation
Ensuring IRIS² performs at the highest standards of security, resilience and interconnectivity.

Programme Management & Risk Oversight
Guide the programme’s evolution from preparatory activities to strategic risk and development planning.

Für die ESA ist dies ein geschickter Schachzug in mehrfacher Hinsicht: sie nimmt das Heft des Handelns in die Hand und damit zur allgemeinen Erleichterung wenigstens ein Stück weit der EU aus derselben, generiert einen gewissen Reset-Effekt, und baut schließlich das Projektbüro so weit außerhalb der internen Zirkel, dass das Scheitern von IRIS2 nicht zum Makel der ESA wird, sondern nur mit einer jederzeit rückstandslos löschbaren und damit schnell zu vergessenden quasi-externen Aktionseinheit verbunden bleibt.

Und in höchst ehrbarer Offenheit ist es nun die im Gegensatz zur EU-Bürokratie mit großer Sachkunde beschlagene ESA, die konzediert, dass es völlig unsicher ist, ob  IRIS2 irgendwie irgendwann überhaupt irgendeinen Sinn machen wird. Denn passenderweise sollte der gesuchte Programm-Manager vor allem diese eine zentrale Frage mit Ja beantworten können:

„Can you steer a multi-layered space initiative through complexity and uncertainty?“

Bei IRIS² kann das bisher niemand – auch nicht vier Jahre nach auftragsgemäßer Feststellung absehbarer Machbarkeit  für 7,1 Mio. € und ein Jahr nach dem Ausstieg der beiden größten Tech-Konzerne aus Bretons Dream Team wegen der unabsehbaren finanziellen und technischen Risiken des Scheiterns von IRIS².

Immerhin hat die EU neuerdings die zentrale Bedeutung industrieller Fähigkeiten auf dem Gebiet des Designs und der Herstellung von RF- sowie optischen User Terminals anerkannt und eine offizielle Abfrage gestartet, ob sich in Europa jemand damit auskennt. Und eilig hat sie es plötzlich auch: Bis zum 15. September (2025!) spätestens 16.00 Uhr müssen die Antworten in Brüssel eingegangen sein.

Abgesehen von dem erhellenden Einblick in die Brüsseler Bürozeiten an einem Montag: schon vor über drei Jahren hätten aufgrund der Ergebnisse aus den beauftragten Konstellationskonzepten der beiden deutschen und französischen Startup/KMU-Konsortien solche Fragen geklärt werden können; Voraussetzung wäre allerdings gewesen, dass diese Aufträge und Ergebnisse derselben nicht allein als vorgeschobenes Feigenblatt geheuchelter Mittelstandsfreundlichkeit gedient hätten, sondern als Konkurrenz zu den Ansätzen der bevorzugten zumeist französischen Großindustrie ernst genommen worden wären. Stattdessen wuchs IRIS² in technischer, finanzieller und politischer Hinsicht zu einem der imposantesten Potemkinschen Dörfer der Gegenwart heran, dessen tatsächliche Erfindungshöhe und Sinnhaftigkeit jenseits bunter Powerpoints im Konzert der Brüsseler Geniestreiche  mit der EU-Verordnung zur Zwangsbefestigung von Saftflaschendrehverschlüssen um die Krone des Kontinents ringt.

Quellen u.a.:

https://www.esa.int/About_Us/Careers_at_ESA/IRIS2_Building_Europe_s_secure_space_future

https://www.linkedin.com/pulse/beam-me-text-fund-constellation-micha%C3%ABl-r-c-de-coninck-ctzme/?trackingId=9JBO%2Fx6pSOWimFrvxhx9KA%3D%3D

https://ec.europa.eu/eusurvey/runner/PMC-OPT_terminaer

Die IRIS²-Chronologie auf KTR