Klartext Raumfahrt

Nihil fit sine causa

EU-phorie: Wachstum ohne Grenzen?

copyright: EUSPA

10-Jahresausblick auf GNSS- und EO-Märkte

Zum zweiten Mal in ihrer Amtsgeschichte legt die EUSPA als Raumfahrtagentur der EU einen höchst detaillierten Bericht zur erwarteten Entwicklung auf den Märkten für Navigation und Erdbeobachtung in den zehn Jahren von 2023 bis 2033 vor. Die Zahlen klingen erst einmal gut, es lohnt sich allerdings hinzusehen, wo genau diese Musik spielt.

GNSS: Von 260 auf 580 Milliarden EUR

Die weltweiten Umsätze auf dem nachgelagerten GNSS-Markt („downstream“), die sowohl durch den Verkauf von Geräten als auch durch die von diesen Geräten unterstützten Mehrwertdienste erzielt werden, sollen von 260 Mrd. EUR im Jahr 2023 auf rund 580 Mrd. EUR im Jahr 2033 ansteigen. Der Markt für Geräte, der voraussichtlich von rund 70 Milliarden Euro im Jahr 2023 auf fast 120 Milliarden Euro bis 2033 wächst, wird dagegen langfristig immer stärker gesättigt werden, während der Markt für Mehrwertdienste dank ständiger Innovation ein rasches Wachstum erfahren wird: Die Umsätze werden voraussichtlich von rund 190 Mrd. EUR im Jahr 2023 auf mehr als 460 Mrd. EUR im Jahr 2033 ansteigen.

Doch was heißt „Marktsättigung“? Deutlichste Konsequenz in der Praxis ist der Wandel des Charakters der verkauften Hardware zur Commodity und damit in der Regel einhergehend der Verfall der Preise und Margen sowie der Ausbildung von Konzentrationen in der Anbieterszene. Bedeutet also schlicht, besser nicht den Fehler zu machen, bei der Steigerung von 70 auf 120 Milliarden EUR unhinterfragt davon auszugehen, dass die erwartbaren Gewinne dieselbe steile Kampfkurve fliegen.

Ebenso wenig angeraten ist die Annahme einer global homogenen Marktentwicklung. Denn aus regionaler Sicht wird die Nachfrage weiterhin durch das wirtschaftliche und demografische Wachstum im asiatisch-pazifischen Raum getrieben werden, wobei der Anteil der Region an den Gesamteinnahmen steigen wird – bis auf rund 45 % im Jahr 2033. Die etablierten Märkte Nordamerika und Europa (einschließlich der EU27 und Nicht-EU27) werden einen relativen Rückgang der globalen Anteile erleben, obwohl die Einnahmen in absoluten Zahlen steigen, während die Märkte Südamerika und Karibik sowie Naher Osten und Afrika sowohl wertmäßig als auch in Bezug auf den Anteil an den Gesamteinnahmen wachsen werden.

EO: Von 3,4 auf 6 Milliarden EUR

Unter strikter Festlegung auf die Annahmen, dass alle künftige Entwicklung

  • von entscheidenden Verbesserungen der Nachhaltigkeit menschlicher Aktivitäten
  • verbesserten Serviceangeboten

und

  • zunehmendem Bewusstsein für Nutzen und Mehrwert von EO-Informationen

geprägt sein wird, erwartet die EUSPA ein weiterhin schnelles Wachstum der EO-Märkte von 3,4 Mrd. EUR im Jahr 2023 auf fast 6 Mrd. EUR im Jahr 2033, einschließlich der Einnahmen aus Daten und Mehrwertdiensten.  Allerdings schränkt sie ein: Bei Betrachtung der geografischen Verteilung der Nachfrage ist zu erkennen, dass die EO-Umsätze im Jahr 2023 vor allem in Nordamerika erzielt werden (fast 50 % des Umsatzes), gefolgt von Europa (über 20 %, einschließlich EU- und Nicht-EU-Länder) und dem asiatisch-pazifischen Raum, auf den etwas weniger als 20 % entfallen. Für die Zukunft wird erwartet, dass die Umsätze sowohl in Europa als auch in Asien schneller wachsen werden als in Nordamerika. Das soll, so die Annahme der Studie, bis 2033 zu einer „ausgewogeneren geografischen Verteilung der Umsätze“ führen.

Insgesamt gesehen sind die imposanten Zahlengebirge also sehr differenziert zu betrachten, besonders wenn man dabei die europäische Brille aufsetzt. Und auch ohne diese bedeutet die Verdoppelung der Werte innerhalb von zehn Jahren einen Zinseszins-Effekt auf Grundlage von linear gut siebenprozentigem Zuwachs und damit doch in deutlichen Grenzen.

Nichtsdestoweniger gehört auch dieser zweite Bericht der EUSPA zur Lage der Dinge zu den denkbar ausgefeiltesten Studien auf ihrem Gebiet und bietet solide Unterfütterung für eigene Überlegungen an, auch wenn ihre Grundannahmen zur globalen Entwicklung bei Denken und Handeln einer gewissen EU-phorie bedürfen.

Den ganzen Bericht gibt es hier:

https://www.euspa.europa.eu/sites/default/files/euspa_market_report_2024.pdf