Klartext Raumfahrt

Nihil fit sine causa

euROBIN – Europas Robotik-Exzellenznetzwerk

Rollin' Justin bei der Coopetition; credit: DLR (CC BY-NC-ND 3.0)

Weltweit erster „Gemeinschaftswettbewerb“ der fortschrittlichsten Roboter in Europa

Humanoide Roboter nutzen künstliche Intelligenz, um im gemeinschaftlichen Austausch Aufgaben zu lösen, die einige der großen gesellschaftlichen Herausforderungen wie etwa den demografischen Wandel betreffen. Bei der weltweit ersten Robotic Coopetition in Nancy, Frankreich, kamen vom 25. bis 28. November 2025 150 führende Robotik-Expertinnen und -Experten aus ganz Europa und 20 Roboter zusammen. Ihr gemeinsamer Auftrag: eine Coopetition, also die Kombination aus gemeinschaftlicher Arbeit, der „Cooperation“, und einem Wettbewerb, der „Competition“, um neue Entwicklungen in der Robotik zu beflügeln. Die Teams arbeiten weltweit an den fortschrittlichsten robotischen Systemen wie Humanoiden, Industrierobotern, robotischen Zentauren oder Vierbeinern auf Rädern. Das viertägige Event ist Teil des Projekts euROBIN, das vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) koordiniert wird. euROBIN ist das europäische Exzellenznetzwerk für KI-basierte Robotik, das Spitzenforschungszentren und große europäische Industriepartner vereint.

Die Coopetition ist ein neues Wettbewerbskonzept, das Zusammenarbeit und Austausch fördern soll. So werden nicht nur die technologischen Lösungen der Teams bewertet, sondern auch ihre Flexibilität bei der Integration von funktionsfähigen Software-Modulen und Daten von anderen Teams in das eigene System. Ziel ist es dabei auch, so hochwertige Algorithmen wie möglich zur Verfügung zu stellen, dass die anderen Teams wiederum diese gerne nutzen. „Die Exzellenzpartner teilen ihre Ergebnisse auf unserer Plattform – zum Beispiel Daten wie Umgebungskarten, Objektmodelle, Ausführungspläne sowie Algorithmen zur Wahrnehmung, Entscheidungsfindung und Kognition“, erklärt Prof. Alin Albu-Schäffer, euROBIN-Koordinator und Direktor des DLR-Instituts für Robotik und Mechatronik. „Die Forschenden suchen sich die beste und jeweils nützlichste Lösung aus. Damit versuchen sie, den flexibelsten und schnellsten Weg in vorgegebenen Anwendungsszenarien beizusteuern. So können gerade kleine Teams von der Erfahrung und Spitzenforschung der anderen profitieren und sich auf ihre eigene Expertise konzentrieren. ‚Stärken stärken‘ ist das Motto des Netzwerks, damit wir als Community insgesamt weiterkommen.“

Der offene Austausch zeigt unter anderem, was eine Software oder gewisse Datensätze flexibel einsetzbar und damit besonders erfolgreich für den Markt macht. Noch ist es extrem schwierig und aufwändig, ein Robotersystem mit „fremden“ Technologien und Fähigkeiten auszustatten, da die Komponenten jeweils aufeinander abgestimmt und speziell umprogrammiert werden müssen.

Neueste Methoden der künstlichen Intelligenz (KI) wie die großen Sprachmodelle von ChatGPT und andere eröffnen nun völlig neue Möglichkeiten, die in der Coopetition erforscht werden. Die Übertragbarkeit der robotischen Ansätze ist ein wichtiges Puzzlestück für deren Weiterentwicklung – denn Roboter müssen lernen, sich in unterschiedlichsten Umgebungen zurecht zu finden, um den Menschen dort zu nützen, wo sie wirklich gebraucht werden. Das euROBIN-Netzwerk will daher neue Lösungen anregen, die eine gemeinsame Entwicklungen von Spitzentechnologien ermöglichen und die führende Rolle Europas in der Robotik auch weiterhin stärkt.

Gemeinsames Ziel: robotische Assistenz im Alltag

Zur Challenge traten im Kongresszentrum Prouvé insgesamt 22 Teams an, aufgeteilt in den Kategorien Industrieroboter, Outdoor-Roboter und Assistenzroboter. Das DLR-Institut für Robotik und Mechatronik startete dort mit seinem humanoiden Roboter Rollin‘ Justin. Für die Assistenzroboter-Liga wurde eine Haushaltsumgebung mit unterschiedlichen Küchen aufgebaut, in denen Rollin‘ Justin auf Zuruf verschiedene Aufgaben möglichst autonom mit Hilfe seiner künstlichen Intelligenz erledigen musste.

Diese Aufgaben sind den Unterstützungsaufgaben im Alltag nachempfunden: Den Assistenzrobotern wurden vom Schiedsrichter zufällig gewählte und vorher nicht bekannte Hilfsarbeit in der Küche vorgegeben. Der DLR-Roboter Rollin‘ Justin sollte Gegenstände gezielt finden, greifen und auf einen Tisch oder auf einer Arbeitsfläche abstellen, Schubladen oder eine Spülmaschine öffnen, oder die Gegenstände an einen Menschen übergeben – und das Ganze in verschiedenen Küchen. Im Sinne von euROBIN gab es Sonderpunkte für Aktionen, bei denen ein Roboter die Software oder vorher bereitgestellte Daten eines Projektpartners genutzt hat.

Roboter sollen bald in jedem Haushalt handeln können, ohne jeweils speziell dafür programmiert worden zu sein. Auch wenn dies für Menschen recht simpel erscheint, muss ein Roboter extrem viel zu der jeweiligen Umgebung und den Gegenständen wissen. Oder er muss über eine hohe Übertragbarkeit verfügen, die ihm durch KI ermöglicht wird. Eine Herausforderung ist, dass systemfremde Komponenten zusammenspielen müssen: Wenn ein Roboter zum Beispiel auf vier Rädern rollt, wie kann man Erlerntes dann auf einen zweibeinigen Roboter übertragen? Da die Software nicht eins-zu-eins übernommen werden und nur annähernd angepasst werden kann, entstehen Ungenauigkeiten beim Ausführen der Aufgabe. Diese Ungenauigkeiten addieren sich, je mehr fremde Komponenten integriert werden und je komplexer diese sind.

Vorreiterrolle in der KI-basierten Robotik

euROBIN ist Europas Antwort auf die internationalen Herausforderungen in der KI-basierenden Robotik, die sich rasant weiterentwickelt und enormes Wachstumspotenzial verspricht. Das von der Europäischen Union geförderte Projekt bündelt 31 renommierte Forschungseinrichtungen und Unternehmen aus 14 Ländern. Als Koordinator des euROBIN-Netzwerks treibt das DLR die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft voran. Ziel ist es, dass Europa der nächste Technologiesprung in der Robotik gelingt und seine Vorreiterrolle in der Robotik weiter stärkt.

Zusammenarbeit unter Robotern

Aus der industriellen Fertigung ist Robotik nicht mehr wegzudenken. Künftig wird sie auch im täglichen Leben eine immer stärker unterstützende Rolle spielen, etwa in Form von humanoiden Robotern, die Menschen im Haushalt und in der Pflege helfen. Mit der weltweit ersten Coopetition hat euROBIN neue Impulse gesetzt. Denn eine Erkenntnis der vergangenen Jahre ist, dass der reine Wissensaustausch nicht ausreicht – die Forschungseinrichtungen und Unternehmen müssen Problemstellungen auch gemeinsam bearbeiten.

„Deutschland und Europa sind in der Entwicklung der robotischen Assistenztechnologie federführend“, betont Prof. Albu-Schäffer. „Die sogenannte Co-Bot-Technologie, also Roboter, die direkt mit den Menschen zusammenarbeiten können, basiert auf unseren europäischen Entwicklungen. Nun müssen wir diesen Vorsprung nutzen, um uns den großen gesellschaftlichen Herausforderungen wie De-Industrialisierung, Umweltschutz und demografischem Wandel zu stellen und im Wettbewerb auch außerhalb Europas nicht nur mitzuhalten, sondern ihn auch weiterhin gemeinsam mitgestalten zu können. Durch euROBIN haben wir eine neue, nachhaltige Plattform geschaffen, neue Wege der Zusammenarbeit zwischen den europäischen Top-Instituten und Industriepartnern aufgebaut und so gemeinsam Lösungen und neue Ansätze entwickelt“, so der Koordinator weiter.

Als Forschungsteilnehmer nutzt das DLR die während der Coopetition gewonnen Rohdaten, um Trainingsdaten für KI-Lernprogramme zu erstellen und mit den Netzwerkpartnern zu teilen. Künftig sollen Roboter nicht nur eigenständig Aufgaben lösen, sondern auch von anderen Robotern lernen können. Unterschiedliche Roboter können dann gemeinsam eine Aufgabe erledigen und sich mit ihren jeweiligen Stärken gegenseitig ergänzen.

Quelle:

https://www.dlr.de/de/aktuelles/nachrichten/2024/staerken-staerken-gemeinschaftswettbewerb-fortschrittlichsten-roboter-in-europa

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