Politische Parteien lediglich allgemein nach ihrer Einschätzung der Bedeutung von KMU zu fragen ist hinreichend sinnlos, denn für die daraufhin eilfertig angebotenen Sympathiebekundungen können sich die Unternehmen nichts kaufen. Weiter führt da nur Konkretes. Eben solches herauszufinden, geben sich derzeit führende Institutionen größte Mühen. Hier zusammengefasst dargelegt werden Partei-Positionen zu den Themen „Maßnahmen der KMU-Förderung“, „KMU-Verträglichkeitstest für EU-Gesetze“, „Bürokratie“ und „DSGVO“. Grundlage der Darstellung ist eine weit über diese drei Themen hinausgehende Untersuchung, die vom Deutschen Mittelstandsbund im Raster sogenannter „Wahlprüfsteine“ durchgeführt und öffentlich gemacht wurde.
Befragt wurden die sechs Parteien, die nach augenblicklicher Lage wahrscheinlich die in Deutschland – nicht in der EU – bestehende 5-Prozent-Hürde nehmen werden. Das sind in Reihenfolge ihrer in Momentaufnahme prognostizierten politischen Stimmengewichtung CDU/CSU, AFD, SPD, Grüne, BSW und FDP. Die restlichen 29 Parteien auf dem deutschen EU-Stimmzettel und ihre programmatischen Aussagen zu KMU – falls vorhanden – bleiben außen vor.
Bei hinreichend grober Rasterung lassen sich die Parteien in zwei Antwortlager aufteilen und den Generalunterschied auf diese Formel bringen: Die einen sehen den am ehesten hilfreichen Weg in Beaufsichtigung und Reglementierung der Europa-Administration nach Maßgabe des Bedarfs der KMU, die anderen in einer möglichst mächtigen Zentral-Administration zur Beaufsichtigung und Reglementierung Europas nach Maßgabe übergeordneter Leitlinien mit Blick auch auf den Bedarf von KMU.
Im Einzelnen:
CDU und CSU wollen KMU vor allem durch konsequenten Bürokratieabbau entlasten und ihre Stimme in Europa durch einen Mittelstandsbeauftragten stärken. Dieser soll auch zwingend an allen Gesetzgebungsverfahren beteiligt werden. Ebenso soll jeder Plan der EU zuvor auf KMU-Kompatibilität getestet werden. Eine neue Regelung soll nur eingeführt werden dürfen, wenn dafür zwei alte entfernt werden. Der Green Deal soll im Hinblick auf seine wettbewerbliche Sinnhaftigkeit überprüft werden. Bei der Frage nach der DSGVO sehen CDU/CSU einen gewissen Vereinfachungsbedarf, ohne den Datenschutz zu gefährden.
Die AFD verlangt gegenfinanzierte Steuersenkungen und Senkung der Energiekosten durch Wiederinbetriebnahme der zuletzt abgeschalteten Atomkraftwerke, Nutzung der intakt gebliebenen Nordstream2-Gasleitung, Abschaffung der CO2-Abgabe und Reduzierung der Energiesteuern, Modernisierung der Infrastruktur, Glasfaserausbau für Internet und Datenkommunikation. Beim Thema KMU-Test für Gesetzesverfahren legt sie sich nicht fest. Die AFD will nach eigenem Bekunden die DSGVO durch eine einfache und bürgerfreundliche nationale Regelung ersetzen.
Für die SPD ist eine klimaneutrale und digitale Transformation die wichtigste Herausforderung der Zukunft Europas. Deshalb setzt sie auf die Weiterentwicklung der europäischen Industriestrategie (Green Deal Industrial Plan), fordert Investitionen in Zukunftsindustrien und Innovationen und will den Binnenmarkt mit Regulierungen, der Förderung von Fachkräften sowie durch den Schutz vor unfairem Wettbewerb stärken. Dahinter steht die Überzeugung, dass der gemeinsame Markt die Grundlage für alles ist und damit automatisch auch für den Mittelstand. An der Datenschutzgrundverordnung in Europa will die SPD nichts ändern, fordert stattdessen mehr Geld und Beamte für die Verstärkung von Behörden, um die umfassende Überwachung zur Durchsetzung der DSGVO zu gewährleisten. Nein sagt die SPD zur Einführung eines KMU-Tests; Bürokratie solle aber immer dann eingeschränkt werden, wenn das möglich ist. Außerdem erleichtere die Digitalisierung auch für KMU das Schreiben von staatlich geforderten Berichten.
Die Grünen wollen eine EU-Infrastrukturunion. Dazu gehört für die Grünen eine strategische EU-Investitionspolitik, die Europa wettbewerbsfähig und klimaneutral machen soll. Der Leitgedanke: Klimaschutz schafft Arbeitsplätze, und von alledem sowie von zusätzlich angepeiltem Bürokratieabbau profitieren dann auch automatisch die KMU. Die Einführung eines KMU-Tests für neue Gesetze der EU sehen die Grünen positiv, verlangen darüber hinaus KMU-Quoten für Aufträge und die Regel, dass einmal abgefragte Daten nicht von anderer Stelle der EU erneut abgefragt werden dürfen. Die Grünen sehen in der DSGVO ein Erfolgsmodell, das einerseits weiter durchgesetzt, andererseits auch im Sinne von KMU und Startups zu vereinfachen ist.
Das BSW fordert – unabhängig davon, was gefragt wurde – erst einmal Frieden mit Russland ohne Waffenlieferungen an die Ukraine; von der daraus resultierenden Wiederaufnahme der wirtschaftlichen Beziehungen mit Russland werde dann auch der Mittelstand automatisch profitieren. Ferner will das BSW Klimaschutz ohne Beeinträchtigung der Wirtschaft, verschärfte Bedingungen des Kartellrechts gegen Großkonzerne zum Schutz von Arbeitnehmern und, so die Sichtweise, damit automatisch auch von KMU; darüber hinaus sollen höhere Steuern für Unternehmen und reiche Privatpersonen das Geld für Transformationsprozesse generieren. Einem KMU-Test steht das BSW grundsätzlich positiv gegenüber. Das BSW spricht sich prinzipiell für eine Reform der DSGVO aus, die hohe Datenschutz-Standards mit möglichst geringen bürokratischen Hürden in Einklang bringt. Eine detailliertere Position zur DSGVO hat das BSW nach eigenem Bekunden als junge Partei noch nicht ausarbeiten können.
Die FDP ist überzeugt: Die EU braucht einen echten Mittelstandskommissar, der sich um faire Wettbewerbsbedingungen für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sowie um Bürokratieabbau gemäß der „One in, two out“-Regel kümmert. Er muss sicherstellen, dass auf EU-Ebene keine Regelungen eingeführt werden, die von Mittelständlern nicht umgesetzt werden können, und Vorschläge für die Änderung oder Abschaffung bestehender Regelungen erarbeiten, wenn sie den Mittelstand über Gebühr belasten. Jedes Gesetzgebungsverfahren soll künftig einen KMU-Test durchlaufen, der die potentiellen Auswirkungen auf kleine und mittlere Unternehmen kritisch durchleuchtet. Die KMU-Definition auf EU-Ebene will die FDP anpassen: Unternehmen mit mittelgroßer Kapitalisierung („Small Mid Caps“) und größerer Kapitalisierung („Mid Caps“) sollen zukünftig ebenfalls als europäischer Mittelstand definiert werden. Zudem soll die Mitarbeitergrenze von 250 auf 1.250 Mitarbeiter angehoben werden. Die FDP steht hinter der Idee eines KMU-Tests für EU-Gesetze und lehnt doppelte Berichtspflichten sowie die Lieferkettenrichtlinie als KMU-feindlich ab.
Die FDP sieht in vielen zentralen Aspekten die DSGVO als weltweiten Standard für den Datenschutz etabliert. Aber durch nationale Versionen entsteht ein erheblicher Aufwand gerade für kleine und mittlere Unternehmen; konsequente Vereinfachung ist die Lösung der Liberalen – und dabei vor allem darauf zu achten, dass die Auswirkungen auf kleine und mittlere Unternehmen und ihre Belange stärker berücksichtigt werden und der bürokratische Aufwand reduziert wird.
Quelle:
https://www.mittelstandsbund.de/politik/wahlen/europawahl-2024