Ein dunkler Ort, Nebelschwaden teilen den großen, grauen Raum in ein Oben und ein Unten. Da erhellt gleißendes Scheinwerferlicht die riesige Betonhalle, wie Finger tasten sich die beiden Strahlen durch die Dunkelheit und bringen in zwei hellen Lichtscheiben Farben zum Leuchten – kräftige Farben, die sich vom Grauspektrum der tristen Umgebung deutlich unterscheiden. Langsam kämpft sich auch die Quelle der beiden „Lichtfinger“ näher: ein humanoider Roboter mit DLR-Logo auf seinem blauen Greifarm…
Kurz bleibt er stehen und hält inne – er wartet auf weitere Anweisungen aus dem Orbit. Dort, in der Internationalen Raumstation ISS, sitzt US-Astronaut Jonny Kim, derjenige, der gerade diese Erkundungsmission steuert. Obwohl er sich gerade hunderte Kilometer über seinem Erkundungsziel aufhält und obwohl er mit 28.000 Kilometern pro Stunde darüber hinwegfliegt. Seine Augen, seine Ohren, seine Tastsinne sind sozusagen bis zur Erde verlängert, er ist mit allen seinen Sinnen in der dunklen Halle im bayerischen Oberpfaffenhofen.
Science-Fiction wird Realität
Naja… bis hierhin liest es sich nicht so schlecht, aber es wird schon seinen Grund haben, dass ich nicht Science-Fiction-Autor geworden bin, sondern am Deutschen Raumfahrtkontrollzentrum (GSOC) des DLR in Oberpfaffenhofen arbeite! Wahrscheinlich liegt mir eine nüchterne, technische Sprache mehr.
Aber das Geschilderte ist hier tatsächlich gerade bei uns passiert, zumindest so ungefähr. Das, was nach Science Fiction klingt, ist real – eigentlich habe ich nur den Nebel und die Dunkelheit dazuerfunden. Gerade hat der US-Astronaut Jonny Kim sogar nicht nur einen, sondern gleich mehrere Roboter von der ISS aus gesteuert.
Bei uns im Foyer des Deutschen Raumfahrtkontrollzentrums haben die Kollegen vom Institut für Robotik und Mechatronik von der anderen Seite unseres Campus eine kleine Marslandschaft für das Experiment „Surface Avatar“ aufgebaut. In diese Umgebung haben sie vier Roboter ganz verschiedener Ausprägung von DLR und ESA hineingesetzt: Einen Humanoiden, einen Rover und zwei Vierfüßler. Schon die Vorbereitungsarbeiten zu beobachten, die sich über Tage hingezogen haben, war spannend. Das Projekt ist für beide Seiten interessant und gewinnbringend: Wir vom Columbus-Kontrollzentrum staunen über die verschiedenen Roboter und was technisch inzwischen möglich ist. Das Team der Robotik hingegen wundern sich, was alles beachtet werden und passieren muss, bis ein solches Technologiedemonstrationsexperiment wirklich auf der ISS durchgeführt wird.
Roboter entdeckt „prähistorische Höhlenmalerei“
Jonny Kim kann nun tatsächlich mit den vier Robotern die Umgebung erkunden, als wenn er mit ihnen in eine komplett unbekannte Welt eintauchen würde (tatsächlich war er auch noch nie bei uns – wir hätten ihn eigentlich auch unsere Büros und Kontrollräume erkunden lassen können anstelle der „Marsoberfläche“ …). Die Kollegen haben vorher Steinproben verteilt, die er einsammeln lassen kann. Tatsächlich fand Jonny in einer kleinen Höhle dann auch Hinweise auf intelligentes Leben bei uns: Die Robotiker hatten als Gag eine prähistorische Höhlenmalerei angebracht. Der Astronaut war begeistert von dem Gesamtszenario: „Meine Mutter hat mir immer gesagt, dass Videospielen zu nichts führt – ich fürchte, sie hat sich geirrt!“
Besonders faszinierend beim Zusehen: Inzwischen ist die Robotik weit darüber hinaus, dass ein Greifarm „ferngesteuert“ werden muss. Es reicht, wenn Jonny ganz abstrakte Ziele angibt, etwa nur einen einzusammelnden Stein im Echtzeitbild markiert. Alles andere wie den Weg dorthin, das Greifen, das Transportieren zur Landefähre – alles das macht der Roboter selbstständig. Der Mensch kann sich in der Zwischenzeit schon wieder anderen Aufgaben zuwenden, die mehr „Brainpower“ benötigen als das Greifen und Tragen.
Abschluss mit Handshake aus dem All
Sogar die Entscheidung, welcher Roboter sich um die Gesteinsprobe kümmern sollte oder ob es am effektivsten ist, wenn mehrere Roboter verschiedener Gattungen zusammenarbeiten – selbst darüber muss sich Jonny nicht mehr den Kopf zerbrechen. Das machen die Roboter untereinander aus – sie arbeiten im Verbund und im ständigen Datenaustausch miteinander. Ungefähr zweieinhalb Stunden war Jonny Kim mit dem Experiment Surface Avatar beschäftigt. Genauso lange bewegten sich die Roboter über unsere künstlichen Marsoberfläche wie von Geisterhand gesteuert, mit viel Publikum aus dem Haus sowie den Robotik-Kollegen an ihren Computern.
Jonny bedankte sich zum Abschluss bei Neal Lii als Surface-Avatar-Projektleiter vom DLR-Institut für Robotik und Mechatronik mit einem Handschlag über viele Tausend Kilometer hinweg: Der humanoide Roboter Justin reichte Neal seine mechanische Hand und dank „force feedback“ konnte auch der Astronaut Neals Händedruck spüren.
Nach dem Experiment sehe ich Neal und Lucia Brunetti, die Projektleiterin des Flight Control Teams, zusammenstehen und zufrieden miteinander reden: Die Verantwortlichen auf der Robotik- und Kontrollzentrumsseite sehen viel entspannter aus als vorgestern, als ich mich nach dem Stand der Dinge erkundigt habe. Kein Wunder, ihr hochkomplexes Experiment hat prima funktioniert, ein sehr schönes Beispiel für die gelungene Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine.
Quelle: https://www.dlr.de/de/blog/archiv/2025/roboter-steuern-aus-dem-weltall
Weiterführende Links
- DLR-Nachricht: Durchmarsch Richtung Mars: ISS-Robotik-Experiment Surface Avatar erfolgreich abgeschlossen
- DLR-Nachricht: Vierbeiner und andere Roboter: ESA-Astronaut testet Avatar-Steuerung zwischen ISS und Erde
- DLR-Blogbeitrag: Surface Avatar – Roboter aus dem All fernsteuern, mit ihnen Aufgaben erledigen und andere Welten erkunden
- Über Surface Avatar
- DLR-Institut für Robotik und Mechatronik
- DLR-Standort Oberpfaffenhofen