Klartext Raumfahrt

Nihil fit sine causa

Interview-Serie „Raumfahrtkompetenz im Deutschen Bundestag“

Volker Mayer-Lay, MdB Wahlkreis Bodensee; copyright: Volker Mayer-Lay

Mit KTR sprach Volker Mayer-Lay, MdB, Wahlkreis Bodensee

Das nachfolgende Interview entstand im Rahmen der KTR-Aktion zur Erfassung des Meinungsbildes und des Engagements der Abgeordneten des Deutschen Bundestages in Sachen Raumfahrt-KMU. Die Ergebnisse der Aktion aus allen betroffenen 95 „Raumfahrt“-Wahlkreisen insgesamt – hier in KTR online ab 19. November 2024 – können je nach Empfindlichkeit ernüchtern oder auch erschüttern. Umso erfreulicher nahmen sich die Erfahrungen mit einer kleinen Gruppe Abgeordneter aus, die über ihre Teilnahme am Meinungsbild hinaus auch bereit waren, sich im Rahmen eines Interviews noch einmal dezidiert wie kompetent zur aktuellen Raumfahrtpolitik zu äußern. Für das folgende Gespräch dankt die Redaktion von KTR sehr herzlich Herrn Volker Mayer-Lay, MdB des Wahlkreises Bodensee.

Herr Mayer-Lay, mit welchen Stichworten sehen Sie sich am besten in der Kurzfassung vorgestellt?

Als direkt gewählter Bundestagsabgeordneter des Wahlkreises Bodensee bin ich sehr erfreut darüber, dass es in meiner Heimatregion zahlreiche Unternehmen, aber auch Zulieferfirmen aus dem Raumfahrtbereich gibt. Sie schaffen Arbeitsplätze und generieren Einkommen und tragen so zu einer gesteigerten Attraktivität der Bodenseeregion bei. Aus historischer Sicht hat die Luft- und Raumfahrt am Bodensee eine ihrer Wiegen. Während früher Firmen wie Zeppelin durch die Entwicklung des ersten Groß-Luftschiffes oder Dornier durch revolutionäre Flugzeuge im frühen 20. Jahrhundert das Bild bestimmten, prägen heute Unternehmen wie Airbus die Raumfahrt bzw. Diehl, Rolls Royce und viele weitere den Bereich der Luftfahrt in dieser attraktiven Region.

Welche Positionen und Prioritäten befeuern Ihr Engagement für Unternehmen, Institutionen und insbesondere KMU der Raumfahrt in Ihrem Wahlkreis?

Wie erwähnt stellen Raumfahrt-Unternehmen ein wichtiges Standbein meines Wahlkreises dar. Hierbei geht es nicht nur um die „großen“ Unternehmen, sondern vor allem auch um die zahlreichen eng mit ihnen verknüpften Zulieferern. Daher spreche ich mich nachdrücklich für gute und vor allem zuverlässige Rahmenbedingungen aus. Als Mitglied des Verteidigungsausschusses kann ich mich hier aktiv einbringen. Zudem hoffe ich, dass wir nach den Neuwahlen als Regierungspartei deutlich mehr gestalten können, als uns dies bislang als Opposition möglich war.

Einen wesentlichen Eckpfeiler der Entwicklung technologischer Fähigkeiten Deutschlands in der Raumfahrt setzt das Nationale Raumfahrtprogramm. Allerdings ist dies nominell exakt noch auf dem gleichen Stand wie vor einem Vierteljahrhundert quasi eingefroren. Frankreich dagegen investiert allein über diesen Titel in Technologieentwicklung und -ertüchtigung der eigenen Raumfahrtindustrie sowohl für internationale Projekte wie auch für kommerzielle Märkte im Wert von 700 Millionen EUR. Wie soll Deutschland am besten darauf reagieren?

Hier bin ich klar der Meinung, dass auch wir unsere Ausgaben deutlich erhöhen müssen. Frankreich ist wirtschaftlich deutlich schwächer als Deutschland und hat darüber hinaus weniger Einwohner als wir. Hier dürfen wir uns unseren Nachbarn ruhig als gutes Vorbild geben. Uns in der Union ist bewusst, dass die Raumfahrt gerade auch im Verteidigungsbereich in Zukunft eine zentrale Rolle spielen wird! Daher plädiere ich für einen Aufwuchs bei Programmen und beim deutschen Beitrag für die ESA.

Im kommenden Jahr findet die Ministerratskonferenz der ESA in Bremen statt. Es braucht keine hellseherischen Fähigkeiten vorauszusehen, dass die Berichterstattung in der Breite besonders von massentauglichen Faszinosa wie etwa der astronautischen Besiedlung des Mondes geprägt sein wird. Raumfahrt-KMU sind darauf angewiesen, dass sie einerseits von vornherein in Projekte aller Größenordnungen eingebunden werden, andererseits aber noch genügend Mittel im Rahmen allgemeiner Technologieförderung (Stichwort „GSTP“) für die nächsten Jahre bereitgestellt werden. Welche Wege in Berlin empfehlen Sie den KMU für die Umsetzung beider Ziele, und was können Sie für die Unternehmen Ihres Wahlkreises dahingehend tun?

Hierzu ist es nötig, das Bewusstsein zu wecken. Aktuell ist – zumindest im militärischen Bereich – noch keine eindeutige Zuständigkeit erkennbar. Klar ist, dass der finanzielle Spielraum nicht massiv größer werden wird und es daher gilt, Prioritäten zu setzen. Als Verteidigungspolitiker muss einer der Schwerpunkte klar im Bereich Verteidigung und damit einhergehend auch bei der Raumfahrt liegen. 

 „Resilienz“ und „dual use“ sind bei Technologiedebatten mittlerweile häufige Stichworte. Wie kann – und soll überhaupt? – die Politik dafür sorgen, dass KMU in ihrer Eigenschaft als Innovateure auf Augenhöhe mit den Branchenriesen auch bei militärischen Themen eingebunden werden?

Hier sollten Ausschreibungen meines Erachtens so gestaltet werden, dass sie auch für KMU offenstehen. Klar ist, dass „großen“ Unternehmen andere Möglichkeiten und Kapazitäten haben. Eine einseitige Bevorteilung dieser halte ich aber für nicht richtig.

Speziell auf EU-Ebene, aber auch bei der ESA, erzeugt vor allem ein Phänomen bei den KMU der Raumfahrt Reaktionen zwischen Resignation und blankem Entsetzen: die Bürokratie. Besonders das als ausufernd empfundene Berichtswesen schafft hier nicht nur Unmut, sondern durch den Personalaufwand handfeste Kostenbelastungen, übrigens auch dadurch, dass auftraggebende Großunternehmen ihre eigene Bürokratie-Belastung auf die Zulieferer abwälzen. Dazu kommt die unangenehme Gewissheit, dass für die „Ganztagsbetreuung“ des Themas bei der EU wieder neue Planstellen mit Steuergeldern finanziert werden. Wie lässt sich dieser Automatismus effektiv unterbrechen?

In Deutschland übrigens ein ähnliches Phänomen: Noch ist nicht einmal ein Referentenentwurf zum Thema „nationales Weltraumgesetz“ geschrieben, da wird schon festgelegt, dass für das Thema eine eigene Behörde geschaffen werden muss. Kann man beim Thema „Bürokratie“ mittlerweile schon von einem nur noch sehr schwer zu durchbrechenden Pawlowschen Reflex der Politik ausgehen – braucht es dafür also vielleicht schon so etwas wie politische Psychotherapie?

Klar ist, dass wir eine gewisse Bürokratie brauchen. Die Einhaltung von Standards und Regeln ist gerade bei einem multi-nationalen Konstrukt wie der EU bzw. der ESA unabdingbar. Dass es aber in sehr vielen Bereichen ein „Zuviel“ an Bürokratie gibt, ist vollkommen richtig. Hier helfen auch Gesetzesmonster wie das „Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz“ mit Sicherheit nicht weiter. Auch hier setze ich große Hoffnungen auf einen Regierungswechsel – hin zu mehr wirtschaftlichem Sachverstand. Zudem glaube ich, dass wir uns einen derart überbordenden Bürokratismus irgendwann auch nicht mehr leisten sollten!