Andreas Bovenschulte, Bürgermeister und Senatspräsident des Landes Bremen
Es ist mit Abstand das kleinste Land der Republik und als solches ein Land der kurzen Wege, welche sein ebenso langjähriger wie legendärer Chef Henning Scherf in der Regel mit dem schwarzen Hollandrad bewerkstelligte – und doch ist es auch Heimat einer europaweit mit größten Ansiedlung von Raumfahrtindustrie und Ausgangspunkt für den weitesten aller Wege: in die Tiefen des Universums: die Freie Hansestadt Bremen.
„Buten und binnen, wagen und winnen“
Das Motto der Bremer Kaufmannschaft hat in hunderten von Jahren bis heute nichts an Aktualität verloren. Waren es früher nur Schiffe, die der Geist unverwechselbar hanseatischer Gradlinigkeit hinaus auf die Wellen des Ozeans führte, so sind es heute obendrein auch Raumschiffe, die ihn in die Weiten des Universums tragen. Dabei ist Bremen nicht nur Heimat der Raumfahrt-Großindustrie, sondern auch Standort einer Anzahl von höchst erfolgreichen KMU sowie institutionell geprägter Adressen der Raumfahrt von gutem Klang weit über Bremen hinaus. Diese Mischung wiederum macht es dann allerdings auch nicht einfacher, in einer Diskussion über das Für und Wider der politischen Bevorzugung einer Gruppe mittels budgetärer Quotierung den richtigen Weg zu finden, auf dem sich alle mitnehmen lassen.
Der Bürgermeister und Präsident des Landes Bremen, Andreas Bovenschulte, machte aber jüngst gegenüber KTR klar, dass es seiner Ansicht nach diesen Weg gibt. So gab er gleich zu Beginn ohne Umschweife zu Protokoll, dass „KMUs … eine der tragenden Säulen der deutschen Raumfahrt (sind) und … wesentlich zur Wettbewerbs- und Systemfähigkeit der deutschen Raumfahrt im internationalen Kontext bei(tragen)“. Mit den weithin im politischen Raum üblichen Lippenbekenntnissen pro KMU hat dieses Eingangsstatement absolut nichts zu tun, wie Bremens Bürgermeister im nachfolgenden Satz sofort klarstellte: “Wir befürworten, dass sogenannte “Systemfirmen” oder “Large System Integrators” im nationalen Raumfahrtprogramm und in ESA-Programmen einen substanziellen Teil der Wertschöpfung an KMUs vergeben sollen. Unseres Wissens gilt dabei im deutschen Nationalen Programm eine Orientierungsmarke von 20 Prozent. Bei den direkten Fördermitteln ist der Anteil allerdings geringer, so dass KMUs eher indirekt von großen Raumfahrtprogrammen profitieren“.
Damit stützt die Argumentation auch der Spitze des Landes Bremens die von vielen wie auch von KTR vorgebrachte Linie, derzufolge der Erfolg einer einzelnen großen Systemintegration in weiten Teilen nur Ergebnis einer fehlertoleranten Sicherheitsarchitektur durch viele Kleine sein kann. Der Verzicht auf eine Erhöhung eigener Wertschöpfungsanteile senkt Risiken und verstärkt die Sicherheit der Funktion des Gesamtsystems. Natürlich gilt auch der Umkehrschluss, das wird leider immer mal wieder durch aktuelle Praxis belegt.
Allerdings führt Bovenschulte für seine sanfte Zurückweisung der Idee einer direkten KMU-Quote diese Argumentation ins Feld: “Die Definition eines festen Bestandteils oder einer Quote innerhalb des Nationalen Raumfahrtprogramms könnte allerdings zu Fehlallokationen führen, insbesondere bei Berücksichtigung der geringen Größe des deutschen Nationalen Raumfahrtprogramms im Vergleich zu anderen Ländern Europas. (Hervorhebungen durch Redaktion KTR). Außerdem besteht hier die Gefahr einer Zunahme von Bürokratie, was genau das Gegenteil wäre von dem, was wir aktuell erreichen wollen“.
Selbst in Anbetracht der Tatsache, dass die durch Kostenüberläufe der Großprojekte und ähnlich bedauerliche Geldverschwendungen geschrumpfte Masse an tatsächlich verfügbaren nationalen Mitteln für die Raumfahrt in etwa einem Viertel der Reparaturkosten für das Segelboot der Bundesmarine entspricht, während Frankreich rund zwanzig Mal soviel für seine Raumfahrt bereitstellt, sieht Bovenschulte doch noch einen Ausweg: “Wir sehen allerdings in der kommerziell ausgerichteten NewSpace Landschaft, dass durchaus KMUs und Start-ups ganz reelle Chancen haben, nicht nur kommerzielle, sondern auch institutionell getriebene Projekte zu gewinnen, wie beispielsweise vor kurzem beim Cargo-Return-Wettbewerb der ESA“. Und auch die institutionelle EU-Raumfahrt soll den Turbo befeuern: “Eine besondere Rolle spielen in Zukunft Raumfahrtprogramme der EU in Zusammenarbeit mit der ESA. Hier sollte die Rolle der KMUs sicher noch überprüft und deren Beteiligung sichergestellt werden. Im optionalen Programm der ESA zur Unterstützung der Entwicklung der IRIS²-Infrastruktur wurde beispielsweise – auch durch das Engagement der Bundesregierung – letztendlich von den Teilnehmerstaaten ein KMU-Anteil von 15 Prozent als Ziel festgelegt, mit einer festen Untergrenze von 10 Prozent“.
Angesichts des Umstandes, dass nach den Rückmeldungen aus den Reihen der deutschen KMU die EU bei IRIS2 davon bisher null Prozent (in Zahlen: 0,00%) realisiert und die Bundesregierung daran auch nichts geändert hat, bleibt an dieser Stelle noch deutlich Luft nach oben. Daran ändert auch die Richtung Habeck als Versöhnung gedachte Einladung von Breton an Deutsche Telekom und OHB ins Projekt nichts. Denn erstens ist die Telekom u.a. als Konsortialführung von „Nostradamos“ schon längst dabei, und zweitens sind weder sie noch OHB das, was man landläufig unter KMU versteht.
Aus KMU-Perspektive der Raumfahrt haben Brüssel und Berlin mit Bremen nur das B gemeinsam.