Vom Bohren dicker Bretter
Die Ministerpräsidenten der Länder haben auf ihrer jüngsten Konferenz (MPK 20.6.2024) und Beratung mit dem Bundeskanzler wie angekündigt die ganz großen Themen der aktuellen politischen Debatte aufgegriffen. Um nur Beispiele der Dimension zu nennen: Migration und Asyl, Infrastrukturmaßnahmen, Abbau der EU-Bürokratie – ein Termin zum Dünnbrettbohren war dies sicherlich nicht.
Umso bemerkenswerter ist der Umstand, dass in dieser Gemengelage Bedeutung und Rolle der Raumfahrt durch die gemeinsame Forderung der Länder nach Steigerung des ESA-Beitrags Deutschlands beim nächsten Ministerrat auf Augenhöhe gehoben wurde. Zwar gibt es zu diesem Zeitpunkt noch keine Einigung auf Einführung fester Quoten für KMU zur Verbesserung der Effizienz und Verbreiterung der Innovationsbasis; die herausragende Bedeutung des Mittelstandes von KMU bis Midcaps erfährt nichtsdestoweniger große Betonung durch die Landeschefs – und dies auch von jenen, deren Länder (noch) nicht durch eine breite raumfahrtindustrielle Basis gekennzeichnet sind.
Die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Länder haben im Dialog ihrer Staats- und Senatskanzleien mit KTR dazu entsprechende Feststellungen getroffen. So wachse etwa die Raumfahrtindustrie in Berlin und Brandenburg mit ihren derzeit 80 Mittelständlern und hochinnovativen Startups neben globalen Großunternehmen wie Airbus Defence & Space, „entwickelt sich stetig fort und hat dementsprechend eine hohe Relevanz als Innovations- und Wirtschaftsfaktor“. Allerdings gebe es „zum jetzigen Zeitpunkt aber keine Überlegungen, einen festen Anteil der Budgets für Start-ups im Raumfahrtbereich vorzusehen“.
Bestätigung dafür kommt auch aus dem Saarland: „Unternehmen oder Startups, die unmittelbar im Bereich der Raumfahrt tätig sind, gibt es bis dato im Saarland nicht. Insofern ergeben sich bislang derzeit auch noch keine Mehrwerte oder aber Adressaten, die von festgelegten KMU-Anteilen an Raumfahrtprogrammen profitieren könnten. Nichtsdestotrotz haben sich die Länder gemeinsam auf eine Steigerung des ESA-Beitrages insgesamt verständigt, um die Chancen der Raumfahrt- und Forschung vollumfänglich nutzen zu können. Dazu zählt schlussendlich auch die Förderung von KMU und Startups im Bereich der Raumfahrt.“ Betonung liegt dabei auch auf dieser Feststellung:“Das Saarland unterstützt die Bundesregierung durch eine vielfältige Wirtschafts-, Technologie- und Forschungsförderung. Eine besonderer Fokus liegt dabei auf dem Mittelstand mit seiner starken Innovationsbereitschaft. … Die neue Strategie für Forschung und Innovation Saarland (2024–2030) formuliert den Bereich Luft- und Raumfahrt als ein relevantes Zukunftsthema in Verbindung mit dem Potenzialthema Cybersicherheit“.
Aus Baden-Württemberg kommt die Bestätigung:“ Als einer der größten und erfolgreichsten Raumfahrtstandorte Deutschlands ist diese Branche für Baden-Württemberg von besonderer Wichtigkeit, weshalb wir uns im Rahmen der MPK für die Stärkung der Raumfahrt in Deutschland und Europa einsetzen möchten. Darüber hinaus liegt Baden-Württemberg die Mittelstandsförderung am Herzen und wir halten daher die Berücksichtigung von KMU und Start-ups für erforderlich und wichtig. Wie die verfügbaren Mittel zu Erreichung dieser Ziele eingesetzt werden können, wird Gegenstand zukünftiger Verhandlungen sein“. Eine Position, die in norddeutscher Kürze ihre Spiegelung vom anderen Ende der Republik aus Schleswig-Holstein erfährt: „… wir erwarten, dass der Bund Vorschläge unterbreitet. Diese werden wir dann bewerten“.
Entsprechende Reaktionen des Bundes, insbesondere Aussagen des Bundeskanzlers nach den Treffen mit den Ministerpräsidenten, sind bislang nicht öffentlich. Das ändert aber nichts daran, dass zum einen die Forderung nach Erhöhung der deutschen Raumfahrtbudgets von der breiten Basis der Bundesländer getragen wird und zum anderen die besondere Bedeutung von KMU, Startups und Mittelstand der Raumfahrtindustrie mittlerweile eine ebenso fest wie durchgehend verankerte Erkenntnis ist, welcher nach aller Logik nur noch Taten folgen müssen.
Der Anfang ist gemacht. Und dicke Bretter scheint man nicht zu scheuen.