Klartext Raumfahrt

Nihil fit sine causa

Möglicherweise der letzte seiner Art:

Deutsche Flagge
© Microsoft online

Brandbrief von BDI, BDLI und AKRK an Dr. Christmann

Angesichts der vom Bundesklimaministerium mit seiner Verfügungsgewalt über das politische Schicksal der (Raumfahrt-)Wirtschaft befohlenen Reduktion des nationalen Programms ab 2025 auf den Kaufkraftsockel von vor einem Vierteljahrhundert haben die drei Eckpfeiler der Brancheninteressen, BDI, BDLI und AKRK ihrer Sorge in einem gemeinsamen Brandbrief Ausdruck verliehen.

Nach Lage der Dinge ist es womöglich der letzte seiner Art an diese Adresse, denn am 14. November ist die Haushaltsbereinigung vorgesehen, und am 19. November das Durchwinken im Parlament. Entweder klappt das so wie von der Führung des BMWK geplant, dann kann man sich ganz im grünen Sinne die Verschwendung von Papier demnächst sparen, oder es klappt nicht, dann machen Briefe an diese Adresse künftig keinen Sinn mehr, weil es die Adresse so nicht mehr gibt. Oder – nun gut, auch Optimisten brauchen gelegentlich Schokolade – es ändert sich etwas. Damit ist dieser Brandbrief in jedem Fall auch ein polithistorisches Dokument. Nachfolgend seine Argumente, die voraussichtlich auch in Jahren nichts ihrer Aktualität einbüßen werden:

Raumfahrt macht unsere Wirtschaft und Gesellschaft nachhaltiger, digitaler und innovativer. Sie ist zudem, wie der Krieg gegen die Ukraine zeigt, von herausragender strategischer und militärischer Bedeutung. Mit großer Sorge verfolgen wir vor diesem Hintergrund die geplante Kürzung des „Nationalen Programms für Raumfahrt und Innovation“ (NPWI). Wir bitten Sie in den finalen Haushaltsverhandlungen alles daran zu setzen, weitere Kürzungen zu verhindern. Deutschland läuft ansonsten Gefahr, in einem weiteren Zukunftsfeld den Anschluss zu verlieren.

In ihrer Raumfahrtstrategie aus dem Jahr 2023 schreibt die Bundesregierung:

„Raumfahrt ist zu einem festen Bestandteil unseres Alltags und unverzichtbarem Instrument für Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Gesellschaft geworden. Raumfahrt leistet heute entscheidende Beiträge zur Förderung von Forschung und Entwicklung, Bildung und Innovation, zu Wachstum, zur Schaffung hoch qualifizierter Arbeitsplätze und zur Erhöhung unserer Lebensqualität, für den Schutz unserer Erde, für unsere Sicherheit und Verteidigung und für die internationale Zusammenarbeit.“ Weiter heißt es: „Die Förderung der Raumfahrt steigert daher in erheblichem Maße die Wachstums- und Wettbewerbschancen des Standorts Deutschland.“

Auch wenn das Bewusstsein für die Bedeutung der Dimension Weltraum zugenommen hat, übersetzt sich dies bislang nicht in politisches Handeln. Denn trotz dieser zutreffenden Analyse plant die Bundesregierung im Regierungsentwurf für den Bundeshaushalt 2025 erneut signifikante Kürzungen im nationalen Raumfahrtprogramm. Dieser sieht eine weitere Absenkung des NPWI um 12,6 Prozent auf 291 Millionen Euro vor. In diesem Jahr waren es noch 333 Millionen Euro und im vergangenen Jahr 371 Millionen Euro.

Raumfahrt ist auch im NewSpace-Zeitalter ein Dual-Use-Bereich. Dem Staat als Auftraggeber und Kunden kommt auch deshalb weiterhin eine herausragende Bedeutung zu. Der beeindruckende Erfolg des US-Unternehmens SpaceX ist u.a. nur möglich, weil die US-Regierung größter Kunde ist.

BDI, BDLI und AKRK sehen die geplanten Budget-Kürzungen in Deutschland deshalb als realitätsfremd und nicht zeitgemäß. Sie hätten weitreichende Implikationen für das gesamte Ökosystem, bestehend aus großen Systemintegratoren, mittelständischen Unternehmen und Start-ups:

Negatives Signal an private Investoren

Mit der neuerlichen Kürzung signalisiert die Bundesregierung, dass Raumfahrt keine Priorität für sie hat. Der (Anker-)Kunde Staat findet damit noch weniger statt als bisher. Investoren und Unternehmen werden dies bei Investitionsentscheidungen berücksichtigen.

Alle Unternehmen gleichermaßen betroffen

Das Nationale Programm ist gekennzeichnet von zahlreichen langlaufenden Projekten. Weitere Einsparungen werden primär bei neuen und innovativen Vorhaben stattfinden und sowohl Großmissionen als auch kleinere Programmvorhaben umfassen. Dies trifft große Unternehmen, KMUs und Start-ups mit neuen Ansätzen und Lösungen gleichermaßen – mit weitreichend negativen Implikationen auf die Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit des gesamten Standorts. Neue Technologieentwicklungen sind nicht mehr möglich, einmal abgebaute Kapazitäten auf viele Jahre oder für immer verloren.

Deutschland verliert international den Anschluss

Der Abstand in der Raumfahrt zwischen den USA und China auf der einen und Deutschland und Europa auf der anderen Seite wird seit Jahren größer. Erneut sind es große ausländische Tech-Unternehmen die, unterstützt durch staatliche Aufträge, Innovationen mit gesamtwirtschaftlicher Bedeutung treiben. Deutschland ist dabei, die Fehler der Digitalisierung zu wiederholen und in einem weiteren Zukunftsbereich den Anschluss zu verlieren.

In Europa nur noch Mittelmaß
Frankreich
, Italien und Großbritannien haben in den vergangenen Jahren ihre Raumfahrtbudgets, national als auch in Form ihrer ESA-Beiträge, signifikant erhöht. Das nationale Programm Frankreichs liegt bereits heute bei über 700 Millionen Euro. Italien hat erhebliche Mittel des EU Recovery Fonds in Raumfahrt investiert. Deutschland muss im Nationalen Programm auf Augenhöhe mit Frankreich agieren.

Noch ist es nicht zu spät, die Weichen in den anstehenden Verhandlungen anders zu stellen. Darum bitten wir Sie um Ihre aktive Unterstützung. Es geht darum, irreparablen Schaden vom deutschen Raumfahrt-Ökosystem abzuwenden und Fehler der Vergangenheit in anderen Hightech-Bereichen nicht zu wiederholen.

 

Soweit der Brief.