Klartext Raumfahrt

Nihil fit sine causa

Niemand hat die Absicht, den Georeturn zu beerdigen …

copyright: ESA

… oder vielleicht nur ein bisschen?

 

Der Kitt, der jahrzehntelang die unterschiedlichsten Mitgliedsstaaten der ESA in ihrer gemeinsamen Raumfahrtpolitik zusammenhielt, gewann seine Klebkraft aus einem simplen Motiv: Bis auf einen Obolus von bis zu 15 Prozent für fachlichen, sachlichen und bürokratischen Aufwand der ESA, finanzierten Länder über ihre pekuniären Zusagen die Verträge für die eigene Industrie.

Das soll, so heißt es aus den Fachkreisen, auch so beibehalten werden, denn manche – nicht alle! – Länder seien nur schwer davon zu überzeugen, sich an etwas zu beteiligen, ohne zu wissen, was sie davon haben. Das große ABER folgt auf dem Fuß: Im Anschluss an eine Ratstagung der ESA eröffneten Agenturrepräsentanten, dass die Mitglieder einem „ersten Schritt“ zugestimmt hätten, die Politik des Georeturns für ihre Programme zu ändern. ESA-General Aschbacher lobte dies als offensichtlichen Beleg für die Fähigkeit der Agentur, sich weiterzuentwickeln. Der Georeturn war von einzelnen dahingehend kritisiert worden, dass er zur Ineffizienz beitrage, weil den Auftrag der bekäme, der am meisten einzahlt, nicht aber der, der das beste Angebot macht.

Allen voran, so ist zu vernehmen, munitioniert sich Frankreich gegen den Georeturn auf. So sieht ArianeGroup etwa darin einen Grund für Preissteigerungen und Zeitverluste bei der Ariane 6 in der Unfähigkeit der Zulieferer, die man nicht selbst aussuchen konnte, weil sie aufgrund des Georeturns vorgegeben waren. Ähnlich trommelt der CNES bereits seit geraumer Zeit und sieht es als berechtigte Forderung, für die Nutzung der Ariane 6 den Georeturn abzuschalten. Auch den französischen Konkurrenzträger Maja baue man schließlich allein deshalb außerhalb des ESA-Gefüges.

Warnungen vor der Abschaffung des Georeturns gibt es dagegen ebenfalls reichlich. Denn ohne die Garantie, dass ihre Unternehmen Aufträge im Verhältnis zur Höhe ihres Beitrags erhalten, könnten die Länder es sich dreimal überlegen, Mittel bereitzustellen.

Der sich derzeit abzeichnende Kompromiss driftet in eine Richtung, die man nur aus Perspektive der Politik sowohl vorgeben wie auch selber verstehen kann: der Georeturn wird nicht beerdigt – nur ein bisschen. Und das sieht dann vermutlich so aus: die ESA schreibt ein Projekt oder Programm aus und vergibt die industriellen Aufgabenpakete an Bewerber, die ihrer Meinung nach das beste Angebot abgegeben haben. Jenseits der Ehre ist für den oder die Gewinner aber erst einmal nichts drin. Denn jetzt erst fordert die ESA von ihren Mitgliedern die Finanzierungszusagen ein. Nach aller Logik jedoch wird auch diese Umkehrung der Prozesse eher nicht dazu führen, dass nun etwa Rumänien die Industrie Frankreichs sponsert. Warum auch? Dafür müsste das betreffende Projekt ja schon menschheitsrettende Dimensionen annehmen – dann aber wäre es vermutlich sowieso überzeichnet.

Vielmehr wird es nach eben bemühter Logik auf einen von der ESA weg verlagerten und dann vermutlich noch viel komplizierteren Verschiebebahnhof für Interessen der Länder kommen: Zahlst Du bei mir mehr ein, als Du aus der Sache kriegst, bekommst Du von mir in gleicher Höhe Unterstützung für das Projekt Deiner Industrie. Nur dumm gelaufen, wenn das Aufrechnen nicht in einem Abwaschgang funktioniert. Dann kommt es wohl zu gegenseitig hochgetürmten Finanzbugwellen der Partner für Jahre und Jahrzehnte. Aber darum müssten sich die dann selber kümmern – mit großem Vorteil für die ESA: Dieses Excel-Monster läuft dann nicht mehr auf ihren Rechnern. Insofern trifft es zu, wenn Géraldine Naja, Direktorin für Kommerzialisierung bei der ESA, hier von einem Schritt hin zu mehr Wettbewerbsfähigkeit, Agilität und Tempo der Agentur spricht.

Denn die wäre ja zu einem wesentlichen Teil nicht mehr aktiv beteiligt.

Davon abgesehen birgt das Verfahren auf die Beteiligung von KMU das Potential von erheblichen Auswirkungen. Denn immer dort, wo es unter anderem auch um Kosteneinsparungen in beträchtlicher Höhe geht, birgt die Hinzunahme von Lieferanten und Dienstleistern über Grenzen und tausende von Kilometern hinweg die Gefahr deutlich höherer Endkosten und oft genug auch längerer Bearbeitungszeiten gegenüber dem Modell des rein nationalen Clubs. Da sind die Sympathien für mögliche Mitstreiter dann schnell verteilt. Dem Gedanken des Aufbaus einer starken transnationalen Lieferkette läuft das eher zuwider.

Nach der erfolgten Einigung auf erste Versuche mit der Beerdigung des ansonsten quicklebendigen Georeturns werden nun dazu passende Projekte ausgesucht. Gesetzt scheint dafür bereits alles weitere Verfahren mit und um die Ariane 6.

Quelle u.a.: eurospace.org