Deutschland und der Duft der Dollars
Planet Labs GmbH gab jüngst seine Pläne bekannt, für die Serienproduktion der nächsten Generation hochauflösender Pelican-Satelliten in Deutschland eine Fabrik hochzuziehen und damit die Produktionskapazität zusammen mit der in den USA für die bestehende Konstellation zu verdoppeln. Zu diesem Schritt motivierte der bemerkenswerte Verkaufserfolg hochauflösender Intelligence-Bilder, die das Unternehmen mit Hauptsitz in San Francisco an Kunden in Europa wie in den USA verkauft – ob nun zu militärischer, anderweitig institutioneller oder privatwirtschaftlicher Nutzung. Erst vor wenigen Wochen noch hatten die Bundesregierung und die NATO Pelican-Daten für weitere 240 Millionen Euro bestellt – eine Order, die den globalen Imperativ widerspiegelt, tägliche Überwachungs-, Indikations- und Warnsysteme sowie reaktionsfähige Raumfahrtkapazitäten zu stärken. Ein Jahr zuvor hatte Planet bereits einen 230-Mio-Dollar Deal mit einem kommerziellen Partner aus dem asiatisch-pazifischen Raum abgeschlossen. Die Mission von Planet ist es, die Welt jeden Tag zu erfassen und Veränderungen sichtbar, zugänglich und umsetzbar zu machen – und das in einer Auflösung bis zu 30 Zentimetern.
Diese neue Investition in das deutsche Geschäft soll insgesamt einen achtstelligen Betrag übersteigen und voraussichtlich bis zu 70 neue Jobs schaffen, sobald die Produktionsstätte voll funktionsfähig ist. Dies wäre eine beachtliche Verstärkung des bestehenden Teams von nahezu 150 Mitarbeitenden am Berliner Europahauptsitz von Planet.
Planet wird derweil weiterhin auch Satelliten am Hauptsitz in San Francisco produzieren – dort ist bereits eine kürzlich eingeführte Pelican-Produktionslinie voll hochgefahren und betriebsbereit. Will Marshall, CEO von Planet Labs PBC und Mitbegründer der Planet-Gruppe, lässt mit seinen Formulierungen keinen Zweifel, dass hinter der Entwicklungsdynamik neben der Mentalität des eigenen Hauses vor allem bereits als sicher anzunehmende Umsätze mit dem deutschen Verteidigungssektor stehen:
„Wir freuen uns sehr, bald in Deutschland Satelliten zu bauen und dies in Zusammenarbeit mit der deutschen Regierung zu tun, die ihre Fähigkeiten zur Förderung von Frieden und Stabilität in Europa stärken möchte“, so Marshall. Denn: „Europa braucht eigene Augen, und es braucht sie jetzt. Planet ist eines der schnellsten Unternehmen beim Bau und Start von Erdbeobachtungssatelliten … In Krisensituationen sind sie essenziell für Sicherheit und Handlungsfähigkeit der Regierung. Es ist ein wichtiges Bekenntnis zum Raumfahrtstandort Deutschland, dass das Erdbeobachtungsunternehmen Planet plant, seine Aktivitäten hier auszuweiten und eine Satellitenproduktionsstätte in Berlin zu etablieren. Das unterstreicht die Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands im strategisch und wirtschaftlich bedeutsamen Raumfahrtsektor. Wir haben ein florierendes New-Space-Ökosystem und müssen dieses für innovative Pionierleistungen und technologische Souveränität nutzen. Das Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt sorgt für attraktive Rahmenbedingungen und garantiert, dass Deutschland und Europa im globalen Wettlauf um den Weltraum zu den Vorreitern gehören“, sekundiert Raumfahrtministerin Bär – und bekommt, anders als im alltäglichen Streit um Power, Positionen und Personen – sogar Rückenwind von Wirtchaftsministerin Reiche:
„The sky is not the limit! Die Investition von Planet Labs in eine neue Hightech-Produktionsstätte in Berlin ist mehr als nur eine Standortwahl – sie ist ein Vertrauensvotum für Deutschland als Hightech- und Raumfahrtstandort. Die Investition schafft qualifizierte Arbeitsplätze, bringt weitreichende wirtschaftliche Impulse, stärkt die europäische Lieferkette und unterstreicht Deutschlands Rolle als Innovations- und Industriekompetenz-Treiber“.
Die Planet Labs Germany GmbH ist Teil der Planet-Gruppe und hat ihren Sitz im europäischen Hauptquartier von Planet in Berlin. Planet Labs PBC (NYSE: PL) ist die Muttergesellschaft der Planet-Gruppe mit globalem Hauptsitz in San Francisco, USA.
Die Finanzreports des Unternehmens spiegeln einerseits große Umsatzerfolge in Europa, den USA und Asien, lassen aber vor allem eine Strategie des Managements von Wachstum erkennen, die in krassem Widerspruch zur weitverbreiteten Mentalität hierzulande steht: Tempo auf der Langstrecke ist wichtiger als Gewinn auf kurze Sicht. Diesen Eindruck stützen auch andere US-Unternehmen, die sich derzeit in Deutschland auf Shoppingtour befinden – Beispiel Rocket Lab. Das Unternehmen ist mit zielgenauen Aufkäufen zum Ausbau der eigenen Position als „Amazon der Raumfahrt“ in bemerkenswertem Tempo unterwegs, und es wird wohl kaum verwundern, wenn sich die Behäbigkeit anderer Interessenten beispielsweise an dem aktuellen Sonderschnäppchen Mynaric als Achillesferse gegenüber Rocket Lab herausstellen sollte.
In Sachen Fließbandproduktion von Satelliten jedenfalls erhält die deutsche Szene jetzt durch Planet Labs beachtliche Schwungmasse, die, geschickt genutzt, auch den anderen heimischen Unternehmen mit vergleichbaren Ambitionen zum Vorteil gereichen kann. Denn allein ist Planet Labs nicht auf weiter Flur: Fabriken zur Serienfertigung von Satelliten sollen schließlich in München (Reflex Aerospace), in Neuss (Rheinmetall) und noch einmal in Berlin (BST) der Branche den nötigen Schwung verleihen. Zwei Dinge allerdings vorausgesetzt: Jenseits bisher geübter Ankündigungspolitik der Regierung erstens die tatsächliche Bereitstellung von Finanzierung für die Produkte, und zweitens die Integration von Kompetenz und Kapazität der KMU in die kommenden Lieferketten.
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