Eckpunkte der Bundesregierung für ein Weltraumgesetz, ihr Interesse an eigenen Startplätzen für Microlauncher und die Befürchtungen von KMU und Startups
Die Bundesregierung antwortete jüngst mit der Bundestagsdrucksache 20/12824 auf die Kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion zum Thema „Startplätze im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland“ und offenbarte damit in großer Klarheit ihre Grundposition. Die Anfrage lautete etwas sperrig wie folgt:
„Welche konkreten Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Aussage des Bundeskanzlers Olaf Scholz vom 5. Juni 2024 im Rahmen der Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung Berlin, wonach „[d]ie Fähigkeit, jederzeit auch im All handeln und Satelliten in Umlaufbahnen bringen zu können, […] kommerziell, aber auch verteidigungspolitisch unerlässlich [ist]“ und wonach zudem verlässliche und innovative Kleinsysteme, um Satelliten ins All zu bringen, nötig seien (www.n-tv.de/politik/Neue-Eurofighter-fuer-die-Bundeswehr-Berlin-bestellt-bei-der-Ruestungsindustrie-Kampfjets-article24990814.html), u. a. im Hinblick auf die Errichtung von Startkapazitäten für Satellitensysteme, und inwiefern ist die Antwort des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) zu der Frage 31 der Kleinen Anfrage auf Bundestagsdrucksache 20/10953, wonach „[d]ie Bundesregierung […] weiterhin keine Errichtung von Startplätzen im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland [plant] und […] dementsprechende Aktivitäten Dritter nicht [fördert]“, damit in Einklang zu bringen?“
Hat der geneigte Leser sich bis zum Fragezeichen am Ende durchgekämpft, wird er mit einer Antwort in ungewöhnlich ausgeprägtem Klartext belohnt:
„Mit den europäischen Trägerraketen (insbesondere Ariane 6) und den europäischen Startplätzen (z. B. in Kourou, Norwegen oder Schottland) ist gewährleistet, dass europäische Staaten, und damit auch die Bundesrepublik Deutschland, über die notwendige Fähigkeit zum Start von Satelliten ins All verfügen. Die Bundesregierung plant keine Unterstützungsmaßnahmen für die Errichtung oder den Betrieb von Startplätzen im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland. Sollte die kommerzielle Errichtung einer solchen Infrastruktur jedoch wirtschaftlich umsetzbar sein, würden insbesondere etwa ausreichende Startdienstleistungen nachgefragt, würde dies begrüßt. Für Zuschüsse an Unternehmen und Start-Ups für die Entwicklung und den Bau von Microlaunchern für Satelliten sind im Bundeshaushalt 2024 im Einzelplan 12 (BMDV) Mittel in Höhe von einer Million Euro eingestellt. Für 2025 sind Mittel in gleicher Höhe vorgesehen.“
Mit anderen Worten: uns reicht ja, was die anderen haben. Die Bundesregierung hat also überhaupt kein Interesse am Aufbau eigener Startinfrastruktur. Dies zeigte sich zuletzt ja auch an dem Auftragsgutachten, welches die schon vor Projektbeginn von RF-Koordinatorin Dr. Christmann im Jahre 2023 abwehrend geäußerten Öko-Bedenken gegen eine mobile Plattform in der Nordsee jüngst in 2024 wiederholt und das Projekt damit unter der Haube des „Wissenschaftlichen“ beerdigt (vgl. KTR „Stairways to Heaven“). Wenn aber darüber hinaus es deutschen Firmen gelingen sollte, aus eigener Kraft das Startgeschäft kommerziell attraktiv zu gestalten, dann soll die mittlerweile auf die Schiene gesetzte Regulierung dieser Aktivitäten durch ein künftiges Weltraumgesetz auf Grundlagen ebenfalls jüngst vorgestellter Eckpunkte greifen. Eben diese treiben gerade, wie eine Blitzumfrage des BDI unter Raumfahrtunternehmen belegt, besonders kleine Unternehmen und Startups auf die Zinne. Denn entgegen der mantramäßigen Beschwörung aller Sympathien mit eben kleinen, mittelständischen und Startup-Unternehmen in der Einleitung soll das neue Weltraumgesetz dieser Bundesregierung auf die Fundamente von Forderungen an die Unternehmen gründen. Dies sind:
- Regress im Schadensfall bis 50 Millionen Euro
- Beibringung von Bankbürgschaft oder Versicherungspolice
- Einhaltung von Genehmigungsverfahren
- Einhaltung aller anderen von obigem unabhängig schon bestehenden Genehmigungsverfahren
- Weitreichende Zugriffsrechte der Bundeswehr auf alle Assets, Ressourcen, Ergebnisse
- Darüber hinaus sollen interessierte andere Ressorts neben dem grundsätzlich für Wirtschaft zuständigen deutschen Bundesklimaministerium dahingehend beteiligt werden, dass ihnen eine Art Vetorecht bei Genehmigungsverfahren zustehen soll.
Das Ganze wird am Ende mit weiterer Bürokratie abgerundet und verwaltungstechnisch perfektioniert durch die Gründung einer neuen Behörde, mit der es deutsche Raumfahrtunternehmen dann zusätzlich zu allen anderen Ämtern und Behörden zu tun bekommen sollen.
Die Umfrage des BDI zeichnet ein entsprechend düsteres Bild der Stimmungslage bei den Unternehmen, teilte der Verband heute mit:
51 % bewerten die Eckpunkte negativ, 26% positiv, 23% haben keine Meinung
70 % der Start-ups bewerten die Eckpunkte negativ, 10% positiv, 20% haben keine Meinung
56 % bewerten die angestrebten Zugriffsrechte der Bundeswehr negativ
69 % bewerten den staatlichen Genehmigungsvorbehalt negativ
54 % bewerten die Höhe der geplanten Haftungsgrenze positiv
51 % befürchten Schwächung des Ökosystems
Besonders bemerkenswert sei, dass 70% der NewSpace Start-ups die Eckpunkte kritisch bewerten. Dagegen positiv werden die Eckpunkte im Wesentlichen von jenen bewertet, die sie nicht betreffen: Unternehmen aus der Nicht-Raumfahrt, etwa Nutzer von Downstream-Anwendungen.
Bislang, so der BDI, sei der Bereich nicht überreguliert gewesen, was auch ein entscheidender Faktor der bisherigen Erfolgsgeschichte gewesen sei. Das wird jetzt geändert, scheint die Befürchtung. Denn die Mehrzahl der befragten Unternehmen ist der Auffassung, dass ein Weltraumgesetz auf Basis der jetzt verabschiedeten Eckpunkte nicht zu einem innovativen und wettbewerbsfähigen Standort für Raumfahrtunternehmen beitragen wird – im Gegenteil. Ernüchterndes Fazit des BDI aus der Umfrage: Aus Sicht der befragten Unternehmen vermitteln die Eckpunkte nichts von Aufbruch, Begeisterung, Möglichkeiten oder Visionen.
Zwei Begriffe bei der Vorstellung der Eckpunkte und ihrer Begründung durch die Bundesregierung erwiesen sich als zentral: Regulierung und Kontrolle. Dafür, dass am besten nichts passiert, soll dieses Nichts nun mit erstaunlich großer Macht „reguliert“ und „kontrolliert“ werden. Macht ist eben, wie Orwell schon sagte, niemals Mittel – sie ist immer Zweck.
Das gilt nun auch im luftleeren Raum.
Quellen u.a.: