Es solle eigentlich ein Anfang sein: die Zusammenstellung der neuen Tafelrunde in von der Leyens Brüsseler Kommandozentrale Europas. Doch bevor es so weit war, wurde zunächst einmal ein Ende zelebriert – das des Verhältnisses zwischen der Chefin und ihrem mächtigsten Kommissar, Thierry Breton. Der zeigte sich so wütend wie wohl seit der Übernahme von OneWeb-Anteilen durch Eutelsat nicht mehr, als ihm klar wurde, wie von der Leyen ihn möglicherweise im Zusammenspiel mit Macron aus dem Spiel gekegelt hatte. Entsprechend setzte er noch eins drauf und veröffentlichte sein fristloses Kündigungsschreiben über X, nicht ohne es mit Aussagen über den Charakter der Intrigen am Hofe von der Leyens und damit letztlich auch über ihren eigenen zu spicken.
Ausgebrochen waren die Feindseligkeiten schon lange zuvor, als Breton den seitens der Deutschen favorisierten Mittelstandsbeauftragten Pieper aus seinem Machtbereich verdrängte, bevor der noch Fuß fassen konnte. Aus seiner Sicht bestimmt auch zu Recht: Wie das Beispiel IRIS2 ja auch überdeutlich zeigte, war im unmittelbaren Herrschaftsbereich des „Kommissars der Konzerne“ nun wirklich kein Platz für den Mittelstand.
Der letzte Showdown nun fand jetzt aber nicht von Angesicht zu Angesicht auf der Mainstreet um 12 statt, sondern eher aus gedeckter Stellung – steht doch die Annahme, dass von der Leyen Macron hinterrücks dazu gebracht haben soll, seinen Kommissar wieder abzuberufen und zu ersetzen. Und nachdem sich der Pulverdampf verzogen hatte, rauchte nur noch Breton – und zwar vor Empörung – und machte die Angelegenheit maximal öffentlich, während die Europa-Chefin und ihr für Frankreich zuständiger Präsidentenkollege längst wieder adrett und unschuldig in die Kameras blickten.
Allein die Vermutung, dass Macron seinerseits nicht ohne tragende Rolle im Ränkespiel seinen Vertrauten, den 39-jährigen Ersatzmann in Sachen „Wohlstand und Industriestrategie“, Frankreichs Außenminister Stéphane Séjourné, so schnell und mit dessen vollem Einverständnis aus dem Hut hätte zaubern können, verschattet ein wenig den Blick auf die Lauterkeit des Vorgehens in Paris.
Wie dem auch im Detail nun sei: Mit IRIS2 ist es damit jetzt vorbei. Jedenfalls in der bisherigen Anlage des ganzen Verfahrens. Denn wenn auch Eutelsat (welch‘ Ironie!) in letzter Minute das finale Angebot des nach dem Auszug der beiden Großen, Thales und Airbus, übriggebliebenen „SpaceRestRise“-Konsortiums am 2.9. um 19.00 Uhr abgab, so müsste es nun doch bis zum 24. September wie es ist beauftragt werden, damit es in der Sache weitergeht. Da Breton aber seit über 24 Stunden schon weg ist, der Ersatz aber erst wohl am 1. Dezember in Amt und Würden kommt, ist einfach keiner da, dessen Unterschrift hier von Wert wäre. Mal abgesehen davon, dass theoretisch Breton noch kurz vor Schluss heimlich unterschrieben haben könnte. Und demnächst wandert die Zuständigkeit ohnehin in ein anderes Ressort.
Was bleibt, ist große Spannung in der Erwartung von Andrius Kubilius, vermutlich neuer Kommissar für Verteidigung und Weltraum aus Litauen.
Insgesamt schlägt Ursula von der Leyen diese Kommissare für die einzelnen Ressorts vor:
Belgien: Hadja Lahbib (Renew)
- Vorgeschlagen für: Humanitäre Hilfe und Krisenmanagement, Gleichstellung
Bulgarien: Ekaterina Zaharieva (EVP)
- Vorgeschlagen für: Startups, Forschung und Innovation
Dänemark: Dan Jørgensen (S&D)
- Vorgeschlagen für: Energie und Wohnungswesen
Estland: Kaja Kallas (Renew)
- Vorgeschlagen für: EU-Außenbeauftragte (Außen- und Sicherheitspolitik), Vizepräsidentin
Finnland: Henna Virkkunen (EVP)
- Vorgeschlagen für: Digitales, Sicherheit, Demokratie und Werte, Vizepräsidentin
Frankreich: Stéphane Séjourné (Renew)
- Vorgeschlagen für: Wohlstand und Industriestrategie, Vizepräsident
Griechenland: Apostolos Tzitzikostas (EVP)
- Vorgeschlagen für: Nachhaltigen Verkehr und Tourismus
Irland: Michael McGrath (Renew)
- Vorgeschlagen für: Justiz, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Verbraucherschutz
Italien: Raffaele Fitto (ECR)
- Vorgeschlagen für: Kohäsion und Reformen, Vizepräsident
Kroatien: Dubravka Šuica (EVP)
- Vorgeschlagen für: Mittelmeerraum
Lettland: Valdis Dombrovskis (EVP)
- Vorgeschlagen für: Wirtschaft und Produktivität, Vereinfachung
Litauen: Andrius Kubilius (EVP)
- Vorgeschlagen für: Verteidigung und Weltraum
Luxemburg: Christophe Hansen (EVP)
- Vorgeschlagen für: Landwirtschaft und Ernährung
Malta: Glenn Micallef (S&D nahestehend)
- Vorgeschlagen für: Generationengerechtigkeit, Kultur, Jugend und Sport
Niederlande: Wopke Hoekstra (EVP)
- Vorgeschlagen für: Klimaschutz und Sauberes Wachstum
Österreich: Magnus Brunner (EVP)
- Vorgeschlagen für: Migration und Inneres
Polen: Piotr Serafin (EVP)
- Vorgeschlagen für: Haushalt, Betrugsbekämpfung und öffentliche Verwaltung
Portugal: Maria Luís Albuquerque (EVP)
- Vorgeschlagen für: Finanzdienstleistungen, Spar- und Investitionsunion
Rumänien: Roxana Mînzatu (S&D)
- Vorgeschlagen für: Bildung, Kultur, hochwertige Arbeitsplätze und soziale Rechte, Vizepräsidentin
Schweden: Jessika Roswall (EVP)
- Vorgeschlagen für: Umwelt, Wasserresilienz und Kreislaufwirtschaft
Slovenien: Marta Kos (Renew)
- Vorgeschlagen für: Erweiterung und östliche Nachbarschaft, Wiederaufbau der Ukraine
Slowakei: Maroš Šefčovič
- Vorgeschlagen für: Handel und wirtschaftliche Sicherheit
Spanien: Teresa Ribera (S&D)
- Vorgeschlagen für: Saubere, gerechte und wettbewerbsfähige Transformation, Vizepräsidentin
Tschechien: Jozef Síkela (EVP)
- Vorgeschlagen für: Internationale Partnerschaften
Ungarn: Olivér Várhelyi (Patrioten für Europa nahestehend)
- Vorgeschlagen für: Gesundheit und Tierschutz
Zypern: Costas Kadis
- Vorgeschlagen für: Fischerei und Ozeane
KTR wird den neuen Raumfahrt- und Verteidigungschef der EU demnächst an dieser Stelle portraitieren.
Quelle u.a.: https://www.dw.com/de/neue-eu-kommission-die-wichtigsten-fakten/a-70238197