Klartext Raumfahrt

Nihil fit sine causa

Stairways to Heaven

Escher-Treppe
© Microsoft

Made in Germany

KTR-Kommentar.

Wie bereits berichtet, ist es dem einzigen Anbieter von Transportdiensten ins All von Deutschland aus mit einem Kleinträger, der Augsburger RFA mit ihrem Launcher RFA One, auf unabsehbare Zeit nicht gestattet, eine schwimmende Plattform in der Nordsee für Starts zu nutzen. Ein bemerkenswerter Post des Bürgermeisters und Senatspräsidenten des Bundeslandes Bremen, der sich mit dem Status auf keinen Fall zufrieden gibt, brachte jüngst Licht in die Hintergründe und vor allem zutage, wer denn nun für diese Situation verantwortlich ist. Und siehe da: es ist ausgerechnet die Bundesregierung selbst, die seit ihrem Dienstantritt nicht müde wurde, Engagement und Bedeutung der drei deutschen Startups mit Mission Kleinträger für Deutschland positiv hervorzuheben.

Stufe 1: Loben

In den Lobesgesang stimmte auch – auf den ersten Blick – das Büro für Technikfolgenabschätzungen des Bundestages ein: „Die Schaffung einer unabhängigen Raketeninfrastruktur stellt aus politischer Sicht eine relevante Option für Deutschland und Europa dar, um eine weltraumstrategische und technologische Souveränität zu postulieren und zu etablieren. Ein Raketenstartplatz im deutschen Hoheitsgebiet würde eine unmittelbare Kontrolle des eigenen Weltraumzugangs sowie eine Reduzierung der bislang ausgeprägten Abhängigkeit von anderen Nationen oder Organisationen bedeuten. Eine eigene Startinfrastruktur könnte Deutschland außerdem eine aktivere Rolle in der wissenschaftlichen Forschung und Weltraumexploration ermöglichen und zugleich den Zugang zu Raumfahrttechnologien, Experimenten und Missionen erleichtern, die speziell auf die Bedürfnisse der deutschen Wissenschaft und Forschung zugeschnitten sind. Schließlich könnten ein eigener Startplatz und der Zugang zum Weltraum Deutschland die engere Raumfahrtzusammenarbeit mit anderen Ländern ermöglichen“.

Stufe 2: Bedenken

Könnte: der Konjunktiv triumphiert auch hier. Denn allein schon die Komplikationen durch erforderliche Beachtung von Vorschriften und Prüfungen aller Art, die es zu allem Überfluss noch gar nicht für diese Situation im Einzelnen gibt, lassen lähmendem Entsetzen angesichts des Aufwandes gebührend Raum und bereiten so den Boden für den Einsatz der final schlagenden Bedenken, denn:

  • derzeit bildet die noch ungeklärte rechtliche Lage aufgrund eines fehlenden eigenen Weltraumgesetzes schon allein eine ausreichend starke Barriere gegen die Aufnahme von Startdienstleistungen
  • darüber hinaus setzt die Entwicklung eines nationalen Raketenstartplatzes ein nationales Raumfahrtgesetz vor allem zu Haftungsfragen voraus. Das ist zwar im Koalitionsvertrag verankert, befindet sich aber im verwaltungsembryonalen Zustand lediglich schemenhaft sonografischer „Eckpunkte“ für die Ressortabstimmung, aus denen dann mal ein Referentenentwurf, ein Gesetzentwurf und schließlich ein Gesetz werden soll.

Aufgrund der Ankündigung eines EU-Raumfahrtgesetzes von Breton aber wurde dieser Prozess dann erst einmal höflich auf die Standspur verlagert, um dem Kommissar das Überholen leicht zu machen; der holte allerdings ziemlich schnell mit Hinweis, dass es dann doch Wichtigeres gebe, das Blaulicht wieder ein. Jetzt könnte sich der nationale Tross wieder in Bewegung setzen – wäre da nicht auch noch Bedenken Nummer 3:

  • Aus geopolitischer Sicht stellt sich auch die Frage, welche Potenziale und Risiken ein deutscher Weltraumzugang bzw. ein nationales Weltraumgesetz für den Wettlauf zum All mit globalen Großmächten wie den USA und China bedeuten würden – oder auch mit Blick auf Schweden, Schottland, Portugal und Frankreich, die bereits Startmöglichkeiten für kleine Trägerraketen aufbauen bzw. über diese verfügen. Schließlich bedingt die erhebliche Dynamik des Marktumfelds und der Forschung und Entwicklung im Raumfahrtsektor unsichere Planungsparameter für eine solche Infrastruktur, die sich möglicherweise als Nischenangebot erweisen könnte, das international nur begrenzt konkurrenzfähig ist und ggf. subventioniert werden muss“.

Angesichts der drückenden Gewichte dieser Bedenkenlast wird mit leicht vorwurfsvollem Ton auch gleich der Schuldige an dem ganzen Aufruhr identifiziert:

„Bisher steckt die Umsetzung der GOSA-Vision für einen mobilen Raketenstartplatz in der deutschen Nordsee noch in den Anfängen. Zudem sind Aspekte der Haushaltsmittel und des rechtlichen Rahmens noch weitestgehend ungeklärt. Dennoch treibt ein aktives Netzwerk aus privatwirtschaftlichen und öffentlichen Akteuren das konkrete Entwicklungsvorhaben voran“.

Stufe 3: Auf Eis legen

Derart vorbereitet, ist es nun zur Wiederherstellung perfekten Equilibriums nur noch ein kleiner Schritt auf geduldigem Papier, aber ein großer Sprung für die Politik: „Aktuell sind das Thema und die damit zusammenhängenden technologischen Fortschritte und geopolitischen Gegebenheiten durch eine hohe Dynamik gekennzeichnet. Es empfiehlt sich daher, zunächst diese Entwicklungen weiter zu beobachten und ggf. zu einem späteren Zeitpunkt vertieft zu analysieren – etwa, wenn weitere Ergebnisse sowie neuere Erkenntnisse zum Entwicklungsstand der einzelnen technischen und regulatorischen Komponenten vorliegen“.

Und so kam es dann zur öffentlichen Ankündigung, wie KTR am 11. Juli berichtete, dass sich die Weiterfahrt dieses Projekts nun auf unbestimmte Zeit verzögert.

Escher schuf mit seiner Treppe zwar schon eine eindringliche Warnung vor der Perfektionierung von Selbstreferentialität. Dass diese aber eines Tages die Verwaltungsnorm für deutsche Treppen ins All wird, hat er sicher nicht geahnt.

 

Quellen u.a.:

Bundesdrucksache  20/11329 Weltraumbahnhof