US-Regierung aktuell dabei, das Blatt zu überreizen
Kommentar. Seit dem historischen Wutausbruch des amerikanischen Präsidenten gegenüber seinem präsidialen Gast aus der Ukraine am 28. Februar folgt eine Meldung über eingestellte US-Unterstützungsmaßnahmen für die Ukraine auf die andere – und das aus einfachem Grund: der Dealmaker im Weißen Haus hatte sein Blatt schlicht überreizt, als er die Auslieferung der Bodenschätze der Ukraine ohne Gegenleistung verlangte – und das auch noch live und in Farbe vor den Kamera-Augen der ganzen Welt. Die Reaktion des Präsidenten im Pullover auf diese ultimative Forderung nach bedingungsloser Kapitulation gegenüber den USA – nicht Russland! – war nach Lage der Dinge alternativlos, und die sorgsam vorbereitete Mahlzeit zur Feier des Deals fand ohne ihn statt.
Der Druck aus dem Weißen Haus nimmt seither stetig zu. Eine unter vielen anderen Maßnahmen: das Ende der Bereitstellung von seitens der US-Regierung gekauften Satellitenbildern zur Vorbereitung der Abwehr von Drohnen, Bombern und Raketen. Die Konsequenz: Terror durch Tod und Verwüstung. Der Kommentar: „Würde jeder so machen“.
Mit dieser Eröffnung freier Bahn für Putin verschlechtern sich zwar schon die Aussichten der Menschen auf Leben und Freiheit erheblich. Doch endgültig zur Schießbude Europas droht das Land nun durch die in Aussicht gestellte Abschaltung der Starlink-Dienste für die Ukraine zu verkommen, welche für den Betrieb kritischer Infrastruktur ebenso wie für Drohnensteuerung und Telekommunikation gebraucht werden.
Genau an der Stelle aber droht die US-Regierung, nach dem Showdown am Kamin das Blatt zum zweiten Mal zu überreizen. Und das passiert nicht ohne Ansage, denn schon an anderer Stelle hat Trump dafür gesorgt, dass Starlink bereits Aufträge verlor. So hat etwa der kanadische Bundesstaat Ontario den Vertrag mit dem Betreiber gekündigt, wie dessen Premierminister Doug Ford berichtete. Bei der italienischen Regierung soll die Unsicherheit bei der aktuell neuen Bewertung des 1,5 Milliarden Euro schweren Geschäfts mit Starlink wachsen. Auch das mexikanische Telekommunikationsunternehmen América Móvil habe seine Kooperation mit Starlink beendet, schreibt Mexico Daily. Damit gingen Musk rund 7 Milliarden US-Dollar durch die Lappen, da der Konzern das Satelliteninternet in 25 Ländern vertrieben habe. Und auch das Ende in der Ukraine wäre eine bittere Pille: Die Ukraine teilte 2024 mit, im Land etwa 42.000 Starlink-Terminals in Betrieb zu haben, von denen etwa die Hälfte von Polen finanziert werde. Vor Kurzem bestellte Warschau 5000 weitere Empfangsgeräte für die Nachbarn. Auf Einhaltung der Verträge pocht nun der polnische Digitalminister Krzysztof Gawkowski – und Musk dürfte sehr an der Aufrechterhaltung des Geschäftes gelegen sein.
Starlink in der Ukraine hat also mit Mutter Theresa ungefähr so viel gemeinsam wie Putin mit dem Papst – es ist kaum etwas anderes als big business as usual. Und dass dies nun wegzufallen droht, weckt die Geister der Konkurrenz für Ideen, wie sie jetzt ganz offen an die Ukraine und an die EU als Finanziers alternativer Dienste herangetragen werden. Ganz vorne dabei dank besten Chancen: Eutelsat mit der OneWeb – Konstellation. Das Unternehmen ist in Gesprächen mit der EU und prüft derzeit seine Möglichkeiten, den Wegfall von Starlink zu kompensieren.
Eutelsat verfügt in der Ukraine schon über Tausende von Endgeräten, aber nicht alle seien ans Netz angeschlossen. In einigen Monaten könne man sowohl besondere militärische Empfangshardware als auch Standard-Terminals, insgesamt etwa 40.000 Schüsseln bereitstellen. Allerdings braucht Eutelsat dafür finanzielle und logistische Unterstützung. Die 630 Satelliten von OneWeb würden auf 1200km-Orbithöhe die Abdeckung durch 7.000 Starlinks auf 550 km ungefähr ersetzen können, lediglich in Sachen Latenz hätte Starlink die Nase deutlich vorn. Teuer sind beide Lösungen: Eutelsat nimmt pro Terminal bis zu 10.000 Dollar, Starlink einmalig jeweils 589; Eutelsat verkauft die dazugehörigen Abos je nach Geschwindigkeit zwischen 30 und 70 Euro, Starlink kostet monatlich zwischen 95 und 440 Dollar.
Die EU bestätigt Gespräche mit Eutelsat zum Thema und sieht im übrigen perspektivisch auch die im Aufbau befindlichen Govsatcom- und Iris2– Projekte als Möglichkeiten, wie andere Medien berichten. Für einen Kommentar auf die Frage von KTR, ob das bedeutet, dass der Krieg nach EU-Einschätzung wohl noch weit oder gar sehr weit über 2030 hinaus andauern wird, damit Iris2 da überhaupt noch eine Rolle spielen kann, war kurzfristig am Wochenende niemand zu erreichen.
Was auch immer jetzt tatsächlich passiert, als Gewinner aus der ersten Runde geht Eutelsat hervor: um sagenhafte 533 Prozent stieg die Aktie innerhalb der letzten Woche.