Klartext Raumfahrt

Nihil fit sine causa

Störungsfinder im Orbit

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TU-Berlin stellt erste Open Access Weltkarte der Funkfrequenzen aus dem Erdorbit online

Redigierter Auszug eines Interviews mit dem leitenden Wissenschaftler des Projektes Alexander Burnicki zur Frage, was die neue Weltkarte kann und welche Lösungen sie für Probleme in der Satellitennutzung bietet.

Fangen wir doch gleich mit den Problemen an. Was läuft denn in der Satellitennutzung schief?

Jeder Satellit kommuniziert auf einer bestimmten Frequenz mit Nutzern am Boden. Durch den nahezu exponentiellen Anstieg der Anzahl von Satelliten im All in den letzten Jahren werden Störungen in der Kommunikation immer häufiger. Konstellationen wie Starlink umfassen eine große Anzahl von Satelliten, die jeweils mit ihrer Bodenstation und auch untereinander kommunizieren müssen. Weil aber nur begrenzte Frequenzbereiche für die Satellitenkommunikation zur Verfügung stehen, müssen viele Satelliten auf der gleichen Frequenz senden, und das kann Störungen auslösen in der Kommunikation untereinander und mit den Bodenstationen. Deswegen haben wir im Rahmen der SALSAT (Spectrum AnaLysis SATellite) Mission mithilfe eines Spektrumanalyzers die Frequenznutzung direkt im Orbit analysiert. Aufbauend auf unseren Erfahrungen aus vorhergehenden Studien, wie das MarconISSta Experiment der TU Berlin auf der ISS, haben wir Spektraldaten aufgenommen, um herauszufinden, wann und wie Satelliten mit ihren Bodenstationen kommunizieren und wie die Auslastung der Frequenzbänder ist. Diese Daten haben wir in der neuen Weltkarte der Funkfrequenzen gebündelt, die seit kurzem online ist.

Für wen ist die Weltkarte mit ihren vielen Daten hilfreich?

Die frei verfügbaren Daten sind sowohl für die Raumfahrt als auch für die Wissenschaft relevant. Für Betreiber von Satelliten und Bodenstationen ist interessant zu sehen, welche Frequenzen schon genutzt werden, wo und wann besonders oft. Jeder Satellitenbetreiber beantragt nämlich vor dem Start eine Frequenz, über die er dann mit dem Satellit kommunizieren kann. Wenn über Australien beispielsweise zu einer bestimmten Uhrzeit auf einer Frequenz viel los ist, heißt das nicht, dass ein Betreiber aus Europa zur gleichen Zeit ebenfalls nicht senden kann. So können Satellitenbetreiber Kooperationen mit anderen Bodenstationen abschließen, in deren Region nicht so viel Betrieb ist oder weniger Störungen auftreten. Institutionen, die die Frequenzvergabe koordinieren und Wissenschaftler oder interessierte Funkamateur können auf unserer Website recherchieren, welche Frequenzen an welchen Orten und zu welchen Zeiten stark oder weniger stark genutzt werden. Mit den gewonnenen Erkenntnissen können Frequenzbereiche dann zukünftig sicher und nachhaltig mehrfach auf der Welt genutzt werden, ohne Störungen zu verursachen.

Und für Wissenschaftler?

Sie erfahren auf der Seite, welche Signale mit welchen Eigenschaften im Orbit vorhanden sind. Anhand unserer gesammelten Daten können sie dann eigene Analysemethoden oder neue Algorithmen testen und so Erkenntnisse über die Frequenzumgebung im Orbit gewinnen.

Wie funktioniert die Website?

Sie bietet eine realistische Globusansicht und eine Kartenansicht. Man kann die Frequenzbandbreite einstellen und nach Datum sortieren. Die einzelnen Aufnahmen sind für alle verfügbar: Man kann sie sich einzeln auf der Website anschauen oder die Daten downloaden, um sie selbst auszuwerten.

Nutzer der Website können auch über ein Formular weitere Spektralaufnahmen anfragen?

Ja. Wenn sie Interesse an besonderen Gebieten oder Frequenzen haben, können sie neue Daten über unsere Website anfragen, die wir dann extra mit unserem Satelliten aufnehmen. Oder wenn Betreiber zum Beispiel Interferenzen in ihrer Kommunikation mit ihrem Satelliten haben, können sie bei uns die Infos dazu erfragen. Für unsere Mission haben wir vor allem das UHF-Band im Bereich von 430-440 MHz aufgenommen, ein Amateurfunkband, worüber viele Satelliten im niedrigen Erdorbit kommunizieren und die Auslastung entsprechend hoch ist.

Was haben Sie auf der Mission noch herausgefunden?

Im vergangenen halben Jahr haben wir in gewissen Regionen starke Signale empfangen, die wir gar nicht erwartet haben. Zum Beispiel in der Nähe der nördlichen Polarregion. Die Ursache dafür konnten wir noch nicht feststellen; dafür müssen wir noch mehr Aufnahmen machen.

Soll die Website noch weiter ausgebaut werden?

Ja. Wir wollen gerne weitere Frequenzbänder im VHF und S-Band vermessen. Der Satellit wird dieses Semester an die Studierenden des Fachgebiets übergeben, die dann den Betrieb übernehmen und ihn so live kennenlernen können. Weil die Batterie des Satelliten langsam schwächer wird, wollen wir die Fähigkeiten von SALSAT aber in unser nächstes Forschungsprojekt übertragen. Im Nachfolgeprojekt RACCOON sollen quantensichere Schlüssel an kritische Infrastrukturen wie Kraftwerke versendet werden. Dafür entwickeln wir gerade die Nutzlast. Der Satellit soll ein eigenes entwickeltes Betriebssystem nutzen, das sogenannte RACCOON OS, das wir gemeinsam mit weiteren Partnern entwickeln und das besonders sicher gegen Angreifer sein soll. Die Funktionalität aus SALSAT planen wir auf diese Nutzlast zu übertragen, damit die Website zukünftig erweitert werden und auch in den nächsten Jahren wichtige, wissenschaftliche Daten bereitstellen kann.

 

Quelle: https://www.tu.berlin/forschen/stoerungsfinder-im-orbit

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