Klartext Raumfahrt

Nihil fit sine causa

Triple E von SPACE IC

SPACE_IC_Chip
© SPACE-IC

Interview mit Geschäftsführer Marketing & Sales Volodymyr Burkhay, SPACE IC GmbH vom 26.03.2024

Ein Fundament der Unabhängigkeit Europas im All

Die drei großen E stehen für die kleinsten Elemente aller Raumfahrttechnik, und tragen doch die größte Verantwortung für den Erfolg: elektronische, elektrische und elektromechanische Bauteile. Ohne sie ist keine Steuerung, kein geregelter Energiefluss und kein Nutzlastmanagement an Bord eines Satelliten im All möglich. Aber mit ihnen ist auch manche Mission unmöglich – dann nämlich, wenn Einsatzzweck und Profil der Mission nicht den Bestimmungen der ITAR- und EAR-Exportregelungen des Landes entsprechen, aus dessen Fertigung eben diese Bauteile in der Regel stammen. Der Schlüssel zur Unabhängigkeit der Raumfahrt Europas liegt damit auch in der industriellen Fähigkeit zur eigenen Entwicklung und Herstellung dieser dringend benötigten Bauteile. Führend auf diesem Gebiet ist – auch dank dem GSTP Programm der ESA – der deutsche Mittelständler SPACE IC GmbH. KTR sprach mit Volodymyr Burkhay, Geschäftsführer Marketing & Vertrieb des Unternehmens mit Sitz in der niedersächsischen Landeshauptstadt Hannover.

KTR:
Herr Burkhay, SPACE IC konnte jüngst das zehnjährige Unternehmensjubiläum feiern. In bewegten Zeiten ist dies ja allein schon ein großer Erfolg. Worauf ist er begründet, wie fing alles an?

V. Burkhay:
Wir haben uns im Februar 2014 mit der Entwicklung unserer ersten Produkte, die damals schon weit fortgeschritten war, selbständig gemacht und konnten daher auch schon ein Jahr später, 2015, mit der regulären Produktion beginnen. Für die Produkt-Zertifizierung allerdings brauchten wir einen sehr langen Atem – genauer gesagt: sechs Jahre – bis wir sie 2021 abschließen konnten. In dieser Zeit sind wir auch durch ESA-Aufträge für die Entwicklung neuartiger integrierter Schaltkreise, also kurz ICs gewachsen, konnten stetig neue Ingenieure gewinnen und ausbilden und unsere Zusammenarbeit mit ESA, DLR und der Industrie stark ausbauen. Mit dem Beginn der erfolgreichen Serie von Produkt-Zertifizierungen setzte ein spürbarer Vertrauensschub seitens der Kunden in ganz Europa ein und wir konnten in großen Schritten Rolle und Position unseres Unternehmens in der europäischen Raumfahrt ausbilden und festigen.

KTR:
Welche Rolle spielen die Technologieförderungen durch ESA und die Raumfahrtagentur im DLR?

V. Burkhay:
Mit der EEE-Programmkomponente im GSTP bringt die ESA die Entwicklung dieser wichtigen Bauteile in Europa maßgeblich voran und erhöht so in großen Schritten die nötige Unabhängigkeit auf dem Gebiet von anderen Staaten. Die Leistungsfähigkeit der dabei gewonnenen Produkte veranschaulicht unser SPPL12420RH – der erste europäische vollintegrierte DC/DC-Wandler. Dieser intelligente elektrische Schaltkreis wiegt nur etwa ein Gramm, ist circa sieben mal zehn Millimeter winzig und wird komplett in Deutschland entwickelt und hergestellt. Er ist für viele verschiedene Satelliten einsetzbar, weil er extrem leicht und dennoch strahlungsfest und robust ist. SPACE IC hat ihn entwickelt und wurde dabei von der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR und der ESA unterstützt.

KTR:
Auf welches Produktportfolio stützt sich Ihr Unternehmen ab?

V. Burkhay:
Insgesamt haben wir sieben IC-Typen herausgebracht und fünf weitere in der Entwicklung. Das erste IC ist bereits zertifiziert, darauf folgt eine IC-Familie aus sechs verschiedenen Typen, die sich gerade im Zertifizierungsprozess befindet. Von den Neuentwicklungen sind drei bereits als Prototypen verfügbar und zwei befinden sich in der Schaltungsentwicklung.

KTR:
Welche Alleinstellungsmerkmale zeichnen Ihre Produkte aus?

V. Burkhay:
Die Kombination von Nutzerfreundlichkeit mit Vielseitigkeit und Zuverlässigkeit. Sie können mit großen Spannungsbereichen umgehen und sind dabei sehr effizient und robust. Die Funktionalität ist auf die Anwendungen und auf den Nutzerbedarf optimal ausgerichtet, ohne überladen zu sein oder die Komplexität zu stark zu erhöhen. Die Neuentwicklungen sind in der Raumfahrt weltweit einmalig – gemeinsam betrachtet ist das Innovation pur.

KTR:
Raumfahrt galt lange als die Industrienische der Einzelprodukte. Bei ICs sollte man jedoch annehmen, dass der Geschäftserfolg auch von der Produktionskapazität abhängt. Ist das zutreffend?

V. Burkhay:
Das stimmt genau. Mit Einzelstücken kommt man in unserem Produktbereich nicht weit. Unsere Fertigungskapazität liegt bei Tausenden bis Zehntausenden pro Jahr. Sie kann auch bei Bedarf bis in die Millionenhöhe ausgebaut werden. Die realen Produktionszahlen sind im Moment noch deutlich geringer. Insgesamt kann man bei uns von Serienfertigung sprechen, wenn auch noch in ausbaufähigem Maße. Schon allein zur Gewährleistung gleichbleibender Qualität muss die Herstellung in Serie erfolgen. Da die Raumfahrtkunden sehr konservativ sind, dauert die Umstellung auf die neu verfügbaren EEE-Bauteile Jahre bis Jahrzehnte im Extremfall. Deswegen sind die Stückzahlen noch nicht hoch. Aus unserer Sicht bräuchte es eine institutionelle Förderung und andere Anreize für die Umstellung auf die europäischen EEE-Bauteile, damit die Nachteile der nutzerseitigen Umstellung ausgeglichen werden und die ganzen Investitionen in die Bauteileentwicklung sich schneller lohnen.

KTR:
Welche Auswirkungen hat die Entwicklung hin zum NewSpace in der Raumfahrt auf SPACE IC?

V. Burkhay:
Wir sprechen von „cost-driven missions“. Da es bisher keine einheitlichen Anforderungen gibt, ist die „NewSpace“-Landschaft sehr inhomogen. Dennoch zeichnen sich deutlich Chancen ab, die Stückzahlen zu erhöhen und die Serienproduktion anzukurbeln. Für uns als IC-Hersteller sind das sehr gute Aussichten. Allerdings müssen einige Prozesse geändert oder neu entwickelt und qualifiziert werden. Das braucht Zeit und weitere Investitionen.

KTR:
Kann heute man im Bereich Triple E-Entwicklung von einer aussichtsreichen Aufholjagd Europas ausgehen?

V. Burkhay:
Die EEE-Bauteile sind die Basis für jede Elektronik, die gebaut wird. Leider wurde die Bedeutung der EEE-Bauteile für die europäische Raumfahrt sehr lange verkannt und zu wenig in deren Entwicklung investiert, insbesondere in Deutschland. An der neuen EEE-Programmkomponente im GSTP können wir die Wende bestens erkennen. Zwar gibt es auch sehr viel aufzuholen, aber ein sehr guter Anfang ist gemacht. Wichtig wäre jetzt auch, damit anzufangen, EEE-Bauteile in den Missionsaufträgen zu erwähnen und explizit darauf zu drängen bzw. Anreize zu schaffen, europäische EEE-Bauteile zu verwenden, statt signifikante Teile der Missionsbudgets an außereuropäische EEE-Bauteilehersteller zu vergeben, ohne dass die exakten Zahlen dafür transparent werden.

KTR:
Wie bedeutsam ist das GSTP-Programm?

V. Burkhay:
Es ist essenziell. Das ist eins der sehr wenigen verfügbaren Mittel für die Entwicklung von neuen EEE-Bauteilen, insbesondere der dringend benötigten ICs mit den hohen Entwicklungskosten.  Gleichzeitig ist das GSTP-Programm extrem wichtig für die Technologieentwicklung der KMU. Deswegen ist der Gesamtbedarf hier weiterhin deutlich höher als das aktuell verfügbare deutsche GSTP-Budget. Hinzu kommt der bekannte Personalmangel beim GSTP-Office der ESA.

KTR:
Welche Bedeutung hat in diesem Zusammenhang das Wirken der Raumfahrtagentur im DLR?

V. Burkhay:
Eine ganz zentrale. Mittlerweile können wir aus eigener Erfahrung sagen, dass die Deutsche Raumfahrtagentur im DLR auf die Zusammenarbeit mit der Industrie sehr gut ausgerichtet ist. Insbesondere der Arbeitskreis der Raumfahrt-KMU (AKRK) ist sehr hilfreich, gerade für die neuen Raumfahrt-Unternehmen. Das GSTP-Programm hat den Vorteil, dass einzelne Aktivitäten präzise auf die geförderte Technologie ausgerichtet werden können. Dazu braucht es aber jede Menge Vorarbeit und Expertise von der Seite der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR. Die entsprechenden Kapazitäten sollten für die neue EEE-Programmkomponente im GSTP dringend ausgebaut werden.

KTR: Wir danken für das Gespräch.