Klartext Raumfahrt

Nihil fit sine causa

Unter Wölfen:

copyright: RIVADA Space

Untergangspropheten beißen sich an Rivada die Zähne aus

Sind Wunden erst einmal geschlagen, dauert es nicht lange, und die Wölfe nehmen Witterung auf, rotten sich im Rudel zur Jagd auf vermeintlich sichere Beute zusammen.  Die meisterliche Inszenierung dieses ehernen Prinzips der Natur in der Literatur, etwa durch Jack London oder auch Ernest Hemingway, wird nur noch übertroffen von den Stories, die die Wirklichkeit erzählt. Geradezu ein Paradebeispiel der jüngeren Zeit ist dafür der Kampf ums Überleben einer großen Idee – der Kampf von Rivada für das Outernet.

Begonnen hatte alles mit Liechtensteins Gewährung der Rechte auf ITU-Lizenzen an das Unternehmen Kleo Connect im Jahre 2018. Kleo Connect formierte sich als deutsch-chinesisches Startup, und tatsächlich brachte im November 2019 eine chinesische Kuaizhou-1A-Trägerrakete die beiden ersten Kleo-Prototypen auf LEO. Nach Berichten über Verbindungen der chinesischen Akteure zum dortigen Militär zerbrach jedoch das Start-up. Rivada Space übernahm nicht nur die Frequenznutzungsrechte von Kleo Connect, sondern stellte auch große Teile der Belegschaft ein mit dem Ziel maximaler Beschleunigung des Aufbaus der Satellitenkonstellation.

Streit mit den einstigen chinesischen Partnern und eine Serie von über 100 Klagen um die Frequenzlizenzen schlugen der Sache schon viele Wunden, endeten letztlich aber zugunsten von Kleo Connect bzw. Rivada. Dazu Rivada: „Seit Rivada eingegriffen hat, um dieses Projekt, das Anfang 2022 aufgrund des Missmanagements der mit der chinesischen Regierung verbundenen Investoren von KLEO Connect vor dem völligen Zusammenbruch stand, zu bewahren und weiter voranzutreiben, sieht sich Rivada mit einer nicht enden wollenden Flut von schikanösen, kostspieligen und zeitraubenden Klagen von Vertretern der Kommunistischen Partei Chinas und ihr nahestehender Parteien konfrontiert. Insgesamt waren es mehr als 100 solcher Klagen. Wir haben jeden wichtigen Fall gewonnen und das Projekt in Rekordzeit vorangebracht.“

Wenngleich der Mutterkonzern von Rivada Space Networks ein US-amerikanisches Unternehmen ist, so lag doch von Anfang an die praktisch-technische Realisierung der Konstellation bei Rivada Space in München, was das Unternehmen bis heute zu einem potentiell höchst wertvollen NewSpace-Asset der deutschen Raumfahrt macht. Und weil die Bodenkontrollstation für das Outernet ebenfalls für Deutschland vorgesehen ist – ganz im Gegenteil etwa zum Projekt Iris2, dem hoch problematischen Konstellationsplan einer weitgehend in eigener Machtvollkommenheit durchregierenden und bis vor kurzem noch französisch dominierten EU-Führung – hätte man annehmen können, dass die deutsche Politik ein Interesse an einer Rolle in Iris2 gehabt hätte, um die sich Rivada sehr bemühte. Hatte sie aber nicht – oder wenn doch, hat sie es niemandem verraten.

Wie dem auch sei, nach der öffentlichen Strafpredigt von Breton Richtung Habeck für dessen Widerworte gegen die großindustriellen Durchmarschpläne seines EU-Ressorts bei Iris2 sanken die Töne aus Berlin Richtung Brüssel auf 0,0 Dezibel.

Derweil zerrten hier in Europa wie auch auf der anderen Seite des Atlantiks bereits die Propheten des Untergangs an Rivadas Glaubwürdigkeit und bezweifelten öffentlich, dass das Unternehmen seinen Zahlungsverpflichtungen gegenüber dem Satellitenhersteller Terran Orbital nachkomme. Terran hat von Rivada den Auftrag zum Bau der ersten 300 Satelliten der Flotte von insgesamt 576 Satelliten erhalten und selbst immer betont, von Rivada entsprechend den Vereinbarungen bezahlt worden zu sein. Eigentlich müsste Terran es ja selbst am besten wissen, aber die Gerüchteküche wurde unablässig weiter befeuert – bis heute: So ist jetzt die Rede davon, dass nach der Übernahme von Terran Orbital durch Lockheed Martin der Auftrag von Rivada aus dem Terran-Backlog gelöscht sei. Offenbar will man damit insinuieren, dass er nicht mehr ausgeführt wird. Gegenüber KTR berichtigte eine Sprecherin von Rivada auf der SpaceTech Expo in Bremen, dies sei nur eine buchhalterische Abgrenzungsmaßnahme im Zuge der Übernahme von Terran durch Lockheed und keineswegs als endgültige Löschung zu verstehen. Terran habe schließlich dafür Produktionsstätten im Ausmaß von gesamt drei Hektar neu gebaut. Der Auftrag zum Bau der Satelliten werde planmäßig durchgeführt. Er hat ein Volumen von 2,2 Milliarden Euro.

Vergleichsweise gering erscheint da der Deckel, den Rivada in Liechtenstein noch gegenüber dem dortigen Amt für Kommunikation offen hat: 5 Millionen Schweitzer Franken hätten dort jeweils 2023 und 2024 als Erfüllungsgarantie für die Nutzung der Frequenzrechte hinterlegt werden müssen, 10 Millionen sollen 2026 folgen. Da. zweimal 5 Millionen bisher nicht geleistet wurden,   habe das Amt, wie die lokale Zeitung Liechtensteiner Vaterland meldete, jetzt die Nutzungsrechte gekündigt. Auch diesen Rückschlag bestätigte die Sprecherin gegenüber KTR, machte aber gleichzeitig geltend, dass Rivada im Falle eines Falles die Konstellation auch mit einigen Modifikationen allein über die deutschen Lizenzen im Besitz Rivadas betreiben könne. Soweit sei es aber noch lange nicht, Rivada kämpft um die Lizenzen und lässt die Angelegenheit von Gerichten prüfen.

Im Sommer tauchten anonyme Zitate aus internen Mitteilungen über die Verzögerung von Gehaltszahlungen an Rivada-Mitarbeiter auf, verursachten aber, soweit erkennbar, keine bleibenden Imageschäden. Die Gehälter wurden dann einschließlich einer Kompensation für die Verspätung bezahlt. Die Informationsquelle blieb unbekannt.

An wiederum anderer Front bahnte sich jüngst kommunikatives Unheil in Form eines Gerüchtes an, Rivada habe seine Reservierung von etwa 12 Flügen für circa 750 Millionen Dollar (Gesamtkosten der Tickets nach KTR-Informationen: 804 Millionen) anzuzahlen versäumt und werde allein deshalb schon seine Flotte nicht mit Falcon 9 auf LEO positioniert bekommen. Von diesem Angreifer auf die Glaubwürdigkeit Rivadas ist zwar nur bekannt, dass er sich des Magazins Advanced Television bediente, dennoch sah sich Rivada Networks-Chefkommunikator Brian Carney bemüßigt, auch hier ein offizielles Dementi abzugeben. Von SpaceX gab es keinen Kommentar.

Den Vogel in Sachen Negativstatements über Rivada schießt aber seit Monaten ein französischer Experte mit besten Verbindungen zur Raumfahrtgroßindustrie seines Landes ab, deren Herz eher an Iris2 als an einer als deutsch empfundenen Konkurrenz hängt, welche obendrein schon inklusive Quantenverschlüsselung bedrohlich weit gediehen scheint.  So verkündete er noch unlängst, über ein Prognoseinstrument zu verfügen, welches sicher die Zukunft jeder einzelnen Konstellation vorhersagen könne; für Rivada „berechnete“ seine ´Glaskugel´ noch bis vor Wochen eine Reduktion der Überlebenswahrscheinlichkeit auf fünf Prozent mit weiterer Tendenz gegen Null.  Solch erstaunlicher Offenbarung ließ er nun am 14. November das Urteil folgen, Rivadas Lage sei nur noch ein „trauriger Witz“. Hinterfragt wurden diese wie auch andere Prognosen bisher von niemandem.

Was bleibt nun netto an Erkenntnis?

  • Ohne Zweifel verfolgt Rivada mit dem 2-Milliarden-Projekt Outernet ein Ziel, das dem Unternehmen und seinen Mitarbeitern enorm viel abverlangt – und streckenweise auch weit darüber hinaus. Ebenfalls ohne Zweifel werden dabei Risiken technischer und vor allem finanzieller Art eingegangen, denen kaum jemand sonst die Stirn bieten würde: das ist alles klar auf „Level Impossible á la Elon Musk“und keinen Deut darunter.
  • Auf dem Weg zum Ziel wird vor allem die Fähigkeit entscheiden, den Vorsprung (unter anderem auch vor Wölfen aller Art) durch Tempo zu halten. Denn Rivadas Assets, der Marktzugang zu 20 Ländern sowie finanzielle Zusagen in Höhe von über zehn Milliarden Euro kommen erst zum Tragen, sobald die Konstellation in Betrieb geht.
  • Neben allem Druck auf´s Tempo hat Rivada nach Angaben seiner Sprecherin gegenüber KTR auch noch ein Ass im Ärmel: den kurz bevorstehenden Abschluss einer Vereinbarung von höchster politischer Bedeutung mit der Institution eines Staates, bei dem sich offenbar noch was bewegt und damit eher nicht in Deutschland oder bei der EU-Regierung zu verorten ist; Genaueres war noch nicht zu erfahren.
  • Trotzdem bleibt der Zeitplan sehr ambitioniert, denn die strengen Fristen der ITU sind unbedingt einzuhalten: Bis zum 10. Juni 2026 müssen mindestens 144 Satelliten in die Umlaufbahn gebracht werden, und die restlichen 144 müssen 14 Monate später bis zum 18. September 2028 in der Umlaufbahn sein. Das ist knapp, aber nicht unmöglich, wie hier auf KTR bereits vor Monaten dargelegt.

Während all dessen werden Zweifel an Rivadas Glaubwürdigkeit und Überlebenschancen konstant durch anonyme wie auch namentlich bekannte Quellen gesät, ohne dass einmal deren Hintergründe und Motive in Zweifel gezogen würden.

Also ja, es stimmt: Die Wölfe wittern die Wunden.

Aber ebenso richtig ist: An Rivada beißen sich die Propheten des Untergangs noch immer die Zähne aus.

 

 

Quellen u.a.: https://news.satnews.com/2024/10/02/rivada-insists-deadlines-will-be-met/

https://news.satnews.com/2024/11/21/forresters-digest-rivada-spacex-contracts-still-in-place/

https://advanced-television.com/2024/11/18/rivada-loses-spacex-launches/

https://www.golem.de/news/rivada-von-trump-unterstuetztes-sat-projekt-verliert-frequenzen-2411-190833-2.html

https://www.vaterland.li/liechtenstein/wirtschaft/amt-fuer-kommunikation-entzieht-rivada-die-frequenzen-art-581551

https://klartext-raumfahrt.de/rivada-space-loesungen-zur-hand/