Aus mittelalterlicher Zeit stammt das geflügelte Wort: „Viel Feind, viel Ehr´!“ Auch heute noch hat es die gleiche Bedeutung wie in seiner Geburtsstunde vor fast genau 500 Jahren: je größer die Zahl siegreich geschlagener Gegner, desto mehr Ruhm und Ansehen für den Sieger.
Nun dürfte es in unserer Zeit für einen, der auszieht, den LEO – Raum zu erobern, schon ausreichen, einen einzigen Gegner vom Format eines Elon Musk zu haben, der den Konstellationsmarkt mit seinen bis zu 42.000 Starlink-Satelliten himmelsfüllend beherrscht. Ihm mit einer geplanten Konstellation von 600 Stück entgegenzutreten, hat da schon etwas von unerschrockenem Ritterkampf. Aber im NewSpace reicht auch das manchmal nicht, denn hinzu kommen Nebenkriegsschauplätze wie Finanzen, Börsen, Anlegerpsychologie und internationale Zukunftspartner und -märkte. Einer, der es von Anfang an mit allen gleichzeitig aufgenommen hat, ist Rivada – jenes amerikanische Unternehmen mit deutscher Tochtergesellschaft, welches schon ab 2025 die ersten 300 Satelliten seiner Konstellation von SpaceX an den Himmel hängen will.
Rivadas globales orbitales Punkt-zu-Punkt-Netzwerk mit niedriger Latenz, das OuterNET™, ist eine Konstellation, die Laserverbindungen zwischen Satelliten mit Onboard-Verarbeitung kombiniert, um neue Routing- und Switching-Funktionen zu bieten und ein optisches Mesh-Netzwerk im Weltraum zu schaffen. Dieses orbitale Netz, bei dem die Daten vom Ursprung bis zum Ziel im Weltraum verbleiben, schafft ein hochsicheres Satellitennetz mit einer Abdeckung von Pol zu Pol, welches über ähnlich große Entfernungen geringere End-to-End-Latenzen bietet als terrestrische Glasfaserkabel. Da der Datenverkehr über ein physisch getrenntes Netzwerk geleitet wird, bietet es allen Unternehmen, die Daten zwischen weit verteilten Standorten sicher austauschen müssen, eine zusätzliche Sicherheitsebene.
Das OuterNET™ von Rivada will so für Unternehmen wie für Institutionen ein einfach einzurichtendes Netzwerk mit höherer Bandbreite und verbesserter Sicherheit für robuste und zuverlässigere Kommunikationsdienste bieten.
Ritt auf der Rasierklinge
Rivada hatte zu Beginn 2023 das ebenfalls junge NewSpace-Unternehmen Terran Orbital mit dem Bau der Satelliten beauftragt. Für die Konstellation mit 600 Satelliten wären zudem nach Angaben höchst fachkundiger Insider bis zu 2.400 optische Terminals erforderlich. Kontakte und Gespräche – auch vor Ort in Deutschland – hat es mit Laserkom-Spezialist Mynaric dazu schon gegeben. Klar scheint auch, dass Rivada die Begleichung der Rechnung dafür Terran Orbital überlassen möchte. Unklar bzw. nicht öffentlich kommuniziert ist „nur“ ob, wann und wie Terran diesen vermutlich zweistellig millionenschweren Baustein im Gesamtplan stemmen und entsprechend ordern kann. Die bei SpaceX plazierte Order für die ersten Satellitenstarts ab 2025 mit Falcon9 scheint dagegen schon Realität zu sein. Davon abgesehen stand bislang die Finanzierungsfrage lange ohne erkennbare Antwort im Raum, und das dann gleich an allen Fronten. Rund zweieinhalb Milliarden Dollar soll das ganze Paket kosten. Über 500 Millionen, so ließ Rivada-Chef Declan Ganley bei der Pariser Jahreskonferenz der Branche ende ´23 verlauten, habe er, noch viel mehr sei über eine Bank gesichert und von Investoren garantiert, die aber nicht genannt werden wollten. Für Terran Orbital ein Ritt auf der Rasierklinge, denn das Unternehmen ist darauf angewiesen, einige hundert Millionen für seine Auslagen und Leistungen auch nun lange vor den ersten Starts zu bekommen – ganz abgesehen vom Löwenanteil der Gesamtrechnung über 2,4 Milliarden, der irgendwann zwangsläufig auch fällig wird. Und nicht nur das: als börsennotiertes Unternehmen hat Terran zwar den Vorteil, sich zumindest theoretisch jenseits der Kreditwirtschaft mit frischem Geld versorgen zu können. Das klappte auch ganz gut, als der Aktienwert im Februar 2023 nach Bekanntwerden der Riesenorder von Rivada auf rund 3 Dollar stieg. Aber wie sich dann im Herbst zeigte, funktioniert das auch andersherum, und zur Zwischenfinanzierung getrieben, wurden 23 Millionen Aktien für nur noch je einen Dollar und vierzig Cents vergleichsweise „verschleudert“. Und das trotz hochreputierlicher und vermögender Investoren wie etwa Lockheed Martin und die Private-Equity-Gesellschaft Francisco.
Hase und Igel
Wenn der Wettlauf ums Überleben nach dem Hase-Igel-Prinzip funktioniert, dann ist Rivada sicher ein Anwärter auf den Titel des Racing Champion: kaum waren Paris und anschließend die von manchen als schicksalsträchtig beäugten Zahltermine im Dezember verstrichen, da wechselt die Szenerie abrupt und Rivada tritt im gleißenden Licht der Sonne über Muscat in Oman als Shooting Star im Geschäftsportfolio des neuen Partners Wiseband auf die internationale Bühne. Ebendieses in den Vereinigten Arabischen Emiraten ansässige und im gesamten Nahen Osten und Afrika tätige Unternehmen Wiseband hat derzeit Konnektivitätsprojekte in den VAE, KSA, Kuwait und Ägypten und geht jetzt diese Partnerschaft mit Rivada ein, um als emiratischer Satellitendienstleister sichere Konnektivitätslösungen in den Nahen Osten zu bringen. Wie Ahmed Hassan, CEO von Wiseband, selbst dazu sagt, möchte Wiseband „das hochsichere Punkt-zu-Punkt-Kommunikationsnetz von Rivada Space Networks nutzen, um unseren bestehenden Unternehmenskunden fortschrittliche und anpassbare Sicherheitslösungen zu bieten und die aufstrebenden Märkte im Nahen Osten zu erschließen. Das OuterNET™ ist ein vollständig verbundenes orbitales Netzwerk, das effektiv als privates Netzwerk im Weltraum dient und in der Lage ist, Datenverkehr mit Gigabit-Geschwindigkeiten von einem Satelliten zum anderen zu leiten, ohne dass ein Gateway auf der Erde erforderlich ist. Wir sehen dies als die Schlüsselinfrastruktur für die Entwicklung des Unternehmens- und Regierungssektors im Nahen Osten und darüber hinaus“.
Ritterschlag – nicht nur für Rivada
Wie gesagt: bis auf erste und seit Jahreswechsel tatsächlich bezahlte Leistungen und Hardware in den Hallen von Terran Orbital ist, soweit nach außen bekannt, die Konstellation zumindest noch sehr „ausbaufähig“. Und doch ist es ganz offensichtlich: das Projekt lebt und wächst. Vielleicht wird es tatsächlich schon bald fast allein durch die Kraft der Gedanken und Phantasie derer, die wohl auch weiterhin neu hinzukommen, sich ihm zu verschreiben, „too big to fail“ – und damit dann unaufhaltsam echte Wirklichkeit. In globalem Ausmaß hat das in den letzten Jahrzehnten allen voran einer geschafft: Steve Jobs mit Apple und seinem Konzept der „distorted reality“ – der Methode, nicht genehme Realität so lang und hartnäckig zu negieren, bis DIESE aufgibt und sich anpasst. Dies nun vom Globalen ins Universe hoch zu transponieren, wäre der Ritterschlag nicht nur für Rivada, sondern für alle Kämpen des NewSpace in digitaler Rüstung, die heute mehr denn je das Motto hochhalten: „Viel Feind, viel Ehr`!“