Klartext Raumfahrt

Nihil fit sine causa

Wo bleibt Breton?

Europa
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Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte ursprünglich vor, wie er Le Monde noch Ende Juni verriet, Thierry Breton für die Europäische Kommission zu nominieren.  Der dafür, wenn er schon nicht den Chefposten haben kann, weil durch von der Leyen erneut blockiert, ein erweitertes Ressort in den Bereichen wirtschaftliche Sicherheit und Verteidigung anstreben soll.

Im Moment jedoch ist alles wieder mit großen Fragezeichen versehen, da Macrons eigene Machtkulisse zuhause und außerhalb durch die Parlamentswahlen im Land dicke Risse bekommen hat. Breton hat sich in Brüssel einen Namen gemacht, weil er sich mehrerer sehr großer Gesetzesvorhaben, insbesondere im Bereich der digitalen Industrie und der Raumfahrt angenommen hat.

Im vergangenen Jahr ging Breton auf eine EU-weiten Tournee, bei der er sich mit Verteidigungsministern und Vertretern der Industrie traf, um Handlungsmöglichkeiten der EU – also möglicherweise dann die künftig eigenen – bei der Modernisierung auszuloten. Außerdem hat er sich für die Entwicklung der EU-Raumfahrtindustrie eingesetzt und einen Entwurf für ein Raumfahrtgesetz ausgearbeitet. Die Arbeiten daran wurden jedoch vor einigen Wochen zumindest vorläufig eingestellt. Ebenso dringt kein Wort mehr durch jene Mauern, hinter denen die von Breton eingesetzten Verhandler mit den Vertretern jenes konzernkonsortialen Monopols über IRIS2 darüber beraten, wie man am besten den Mitgliedsländern und deren Bürgern kreative Sprachregelungen zu neuen Sachlagen beibringt. Besonders eingängig könnte sich dabei zum Beispiel das Argument – nur ein Beispiel für das Strickmuster, noch kein realer Aspirant auf die Position der offiziellen Ausrede – erweisen, dass die nun gewünschten 12 Milliarden Euro nicht doppelte Kosten, sondern im Grunde doch nur zweimal die gleichen Kosten sind und deshalb das Projekt IRIS2, vor allem, wenn es denn dann auch noch zweimal so lang dauern sollte, ja voll im ursprünglichen Plan liegt. Doch die Testphase solcher Sprachregelungen ist hier noch nicht eingeleitet, die Spannung, welche an Politik und Bürgern ausprobiert werden sollen, kann noch erst einmal weiter steigen.

Der Elysée weicht bisher der Frage aus, nach welchem Verfahren Macron ohne Rücksicht auf die neuen Verhältnisse in der nationalen Generalversammlung einen französischen Kommissar in Brüssel ernennen will, sondern hält die Ernennung für ein Vorrecht des Präsidenten. Theoretisch sollte der Kommissar übrigens nicht die nationalen Interessen seines Landes vertreten. Bei IRIS2 tut er das tatsächlich nicht, braucht es auch nicht: seine ausgewählten Konzerne der Projektleitung sind mehrheitlich französischer Provenienz. Ansonsten wird Breton vermutlich erst einmal in größere Kreidevorräte investieren, denn auf dem Weg bis hier hat es im europäischen Porzellanladen der Binnendiplomatie so einige Kollateralschäden gegeben: Die derzeitige und wahrscheinlich auch die nächste Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, ist nicht gerade Bretons größter Fan und umgekehrt; Auch Margrethe Vestager kennt Auseinandersetzungen mit Breton nur zu gut, seit sie als Wettbewerbskommissarin in mehreren Fragen eng mit ihm zusammenarbeiten musste. Und die deutsche Seite verprellte er zum einen im Streit mit Habeck um die Anlage des Projektes IRIS2  und zum anderen bei der politischen Liquidation des ihm zugeordneten KMU-Beauftragten. Trotz all dieser Spannungen kann Macron Breton nominieren. Darüber soll bis Ende August entschieden werden, dann kann der neue Kommissionspräsident mit der Zuweisung der Ressorts beginnen.

Und wo bleibt jetzt Breton? Er wird schon wieder auftauchen, so Macron will und kann.