Zukunft mit Raumfahrt gestalten: Dringende Empfehlung der deutschen Raumfahrt-KMU für praktische Prioritäten im Programm der neuen deutschen Bundesregierung 2025-2029

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Ergebnisse der Umfrage der Redaktion von Klartext-Raumfahrt unter allen 250 deutschen Raumfahrt-KMU zur Gewichtung von Forderungen an die Behandlung des Themas Raumfahrt im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung

Zukunft mit Raumfahrt gestalten: Dringende Empfehlung der deutschen Raumfahrt-KMU für praktische Prioritäten im Programm der neuen deutschen Bundesregierung 2025-2029

Die nachfolgenden Stichpunkte entsprechen den Hauptforderungen der deutschen Raumfahrt-KMU, wie sie bereits vom AKRK gegenüber der Bundespolitik erhoben worden sind. Mit ihren Antworten auf diese Umfrage konnten alle deutschen Raumfahrt-KMU die genannten Stichpunkte noch einmal zusätzlich gewichten in der Skala von 1 = sehr unwichtig bis 5 = sehr wichtig. Das Ziel dabei: die Grundbedingungen noch einmal besonders herauszuheben, ohne deren Erfüllung alles in weiterem Stillstand verharren wird. Im folgenden Text wird der rechnerische Durchschnittswert aller Rückmeldungen angegeben.

An erster Stelle steht für die deutschen Raumfahrt-KMU das Nationale Raumfahrtprogramm, denn damit schaffen besonders Unternehmen des Mittelstandes die Qualifizierung zur Teilnahme an den großen internationalen Programmen von ESA und EU. Damit sich hier überhaupt etwas bewegen lässt, muss der Sockel deutlich oberhalb 300 Millionen Euro liegen, denn auf diese Summe belaufen sich allein schon die Verpflichtungen aus Altlasten. Derzeit sind von der alten Regierung für den Haushalt 2025 mit 271 Millionen Euro schon 30 Millionen Euro Unterdeckung vorprogrammiert. Seit Jahren wird von allen Experten ein Mindestvolumen von 500 Millionen Euro gefordert, selbst die Ampelregierung hatte dieses Ziel noch zu Beginn. Wenn auch Deutschland selbst damit Frankreichs 700 Millionen-Programm nicht das Wasser reichen kann, wäre es ein Anfang aus der jahrelangen Bredouille. Mit 4,44 von 5 möglichen Punkten setzen die deutschen Raumfahrt-KMU diese Forderung auf Platz 1. Inhaltlich ausgestaltet werden kann dies nach Vorstellung der Raumfahrt-KMU am besten durch eine breite Basis geförderter Technologieentwicklung (4,27), eine deutliche Trendwende weg von Prestigeprojekten hin zu vielen kleinen geförderten Projekten und Missionen (3,96), und eine deutlich höhere Einbeziehung von KMU und StartUps (4,81).

Ohne eine klare Raumfahrtstrategie (4,25) gerät jedes Programm aus den Fugen. Wesentlich für den Erfolg einer solchen Strategie wird nach Auffassung der deutschen Raumfahrt-KMU die Etablierung klarer fachlicher wie industriepolitischer Leitplanken (3,88) für künftige deutsche Beteiligungen an europäischen Projekten (EU) und die Festlegung klarer Anteile für KMU und StartUps (4,44) bei allen mit deutschem Steuergeld finanzierten Raumfahrtprojekten sein.

Die Beteiligung der deutschen Raumfahrtindustrie und ganz besonders der KMU und StartUps am Raumfahrtprogramm der ESA ruht auf den beiden miteinander verbundenen Pfeilern des Georeturns und des deutschen Budgetanteils.

Der Abschaffung des Georeturns in der ESA durch die Hintertür, wie sie gerade initiiert wird, ist eine klare Absage zu erteilen; die unbedingte Einhaltung des Georeturns ist die Voraussetzung für eine auch in Zukunft angemessene deutsche Beteiligung am Programm der ESA ebenso wie der kleinen Länder (3,71).Der deutsche Beitrag am ESA-Programm soll vom derzeit geplanten Rumpfniveau (mit maximal möglicher Absenkung auf 700 Millionen Euro) wieder auf den deutschen Anteilslevel von mindestens 1,1 Mrd. Euro angehoben werden (4,31), am besten drastisch darüber hinaus.

In Anbetracht der Tatsache, dass Deutschland als größter Nettozahler der EU auch den größten Anteil an allen Raumfahrtprojekten der EU bestreitet, besteht für die deutsche Politik auch das Gebot der größten Sorgfalt bei Aufsicht und inhaltlicher (Mit-)Steuerung der Projekte statt automatischer Finanzierung unter Ausschaltung jeglichen Wettbewerbs, um desaströse Fehlentwicklungen wie beispielsweise derzeit beim Projekt IRIS2 rechtzeitig zu verhindern. Das gilt auch für die Notwendigkeit nachträglicher Korrekturen, die bereits zum Nachteil deutscher Steuerzahler und Raumfahrtunternehmen realisiert wurden, wie beispielsweise das „Leuchtturmprojekt“ der Ampelregierung, das EUSST (3,6) *.

Darüber hinaus verständigen sich die deutschen Raumfahrt-KMU auf die Forderung an die Koalitionäre, in Zukunft den Staat verstärkt als Ankerkunden auftreten zu lassen und damit Raum für eine viel weiter gefächerte Kompetenzlandschaft zu schaffen. Auch soll die Bundeswehr in ähnlicher Rolle auftreten, denn schon lange sind Raumfahrttechnologien auch Grundlage für Verteidigungsfähigkeiten. Die entsprechenden Budgets für Aufgaben des Ankerkunden Bundeswehr sollen dabei nicht mit den nationalen oder ESA-Beiträgen verrechnet werden, sondern für sich stehen.

Mit der Einführung der Regel einer Mindesttiefe für die Wertschöpfung aus deutschen Steuergeldern wird auch europäischer wie nationaler Bürokratie wirksam zu begegnen sein. Ein einfaches „Buy European“ springt zu kurz. Eine Reform des Vergaberechts zugunsten der stärkeren Einbeziehung von KMU und StartUps dient ebenfalls der Verbreiterung der Grundlagen für den Erfolg deutscher Technologien auf den Weltmärkten. Und zu guter Letzt: Die neue Bundesregierung soll in Europa angstfrei und selbstbewusst auftreten und sich auch nachdrücklich einmischen, wenn es darum geht, Reibungsverluste wie durch die Konkurrenz von EU und ESA zu unterbinden. Diese Einmischung darf gerne auch in Form einer intensiven Mitsprache bei der Besetzung von Positionen in der EU stattfinden – und dies nicht nur auf Top-Niveau: Gemessen an der Bedeutung für die EU ist Deutschland auf der Ebene, wo die praktische Arbeit stattfindet, gegenüber Ländern wie Frankreich stark unterrepräsentiert.

 

* EUSST ist ein Programm der europäischen Raumfahrtagentur EUSPA (Prag) zur weltweit kostenlosen Versorgung auch kommerzieller Raumfahrtunternehmen mit Daten zur Kollisionsvermeidung im All; dies geschieht auf Kosten der europäischen Steuerzahler, die damit sogar rein kommerzielle Raumfahrtprojekte der Großkonzerne subventionieren, und verhindert so effektiv den Erfolg spezialisierter Raumfahrtunternehmen, u.a. auch deutscher, die diese Dienste kommerziell anbieten könnten.